Kunstwerk aus der Steinzeit

Die älteste bekannte Zeichnung der Welt sieht aus wie ein Hashtag.
Die älteste bekannte Zeichnung der Welt sieht aus wie ein Hashtag.(c) Craig Foster
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Schon vor über 73.000 Jahren begann unser Vorfahre Homo sapiens zu zeichnen. Forscher analysierten die alte Kunst.

Vielleicht sieht es für dich nicht gerade wie ein Meisterwerk aus: neun Striche, sechs parallel und drei quer darüber gemalt. Ein bisschen erinnert es auch an ein Hashtag. Bei dem Stein handelt es sich um ein Kunstwerk, das Forscher in einer Höhle in Südafrika gefunden haben. Darauf soll die älteste bekannte Zeichnung der Welt zu sehen sein, gemalt von einem Homo sapiens, einer unserer Vorfahren. Und das vor 73.000 Jahren!

Die Archäologen stießen zufällig auf dieses Muster, als sie Tausende ähnliche Steine vom selben Fundort betrachteten. Aber wie kann man überhaupt feststellen, dass die Linien nicht zufällig auf den Stein gekommen sind? Vielleicht kritzelte ein Homo sapiens ja einfach nur zufällig darauf und es ist deswegen gar keine richtige, urzeitliche Kunst. Wie Detektive stellten sich die Forscher die gleichen Fragen und untersuchten die Zeichnung genauer. Hier sind ihre Argumente:

1. Unter dem Mikroskop: Die Forscher legten den Stein unter ein Elektronenmikroskop. Das ist eine Maschine, mit der man Objekte in einer sehr kleinen Auflösung betrachten kann. Man kann so Sachen sehen, die ungefähr so groß (oder so klein) sind wie ein Atom. So bewiesen sie, dass die Linien nicht ein natürlicher Teil des Steins waren, sondern mit Ockerfarbe aufgemalt wurden.

2. Der Stein: Die Linien wurden auf einen sogenannten Silcrete-Stein gezeichnet. Das sind Steine, die aus der chemischen Kieselsäure entstehen, wenn sie hart wird. Normalerweise sind solche Silcrete ganz rau. Aber das gefundene Exemplar hatte eine glattere Oberfläche, auf der die Linien besser zu sehen waren. Die Forscher glauben also, dass er absichtlich mit einem Schleifstein bearbeitet wurde.

3. Andere Objekte: Neben dem Stein fanden die Archäologen auch andere Objekte, wie Kügelchen aus Muschelschalen oder Knochen, auf denen etwas eingeritzt wurde. Sie glauben deshalb, dass diese Steinzeitmenschen auch noch auf andere Weise künstlerisch aktiv waren.

All diese Sachen ließen auf eines schließen: dass der Homo sapiens, der die Striche gemalt hat, schon symbolisch dachte. Symbole sind zum Beispiel Buchstaben oder auch Emojis. Sie stehen immer für etwas anderes. Tiere zum Beispiel benützen meist keine Symbole. Man weiß aber nicht genau, wann der Mensch begann, symbolisch zu denken.

Es gibt sogar Objekte, die noch älter sind als der bemalte Stein: 2015 fanden Forscher eine Muschelschale auf der Insel Java in Indonesien, auf die jemand symmetrische Zickzacklinien gemalt hatte. Nur gab es damals noch gar keinen Homo sapiens, sondern nur den Homo erectus – einen noch älteren Vorfahren. Vielleicht ist die Kunst sogar noch älter, als wir es uns denken – Beweise gibt es genug.

Wusstest du schon, dass...

. . . Ötzi, der als Mumie im Gletscher gefunden wurde, vor über 5000 Jahren in der Jungsteinzeit lebte und 61 Tätowierungen hatte? Das sind auch Symbole. Dafür wurden zuerst Linien in seine Haut gestochen und dann Kohle in die Wunden gerieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2018)

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