Die SPD wollte den Abgang von Hans-Georg Maaßen, Innenminister Horst Seehofer seinen Verbleib. Ein Kompromiss soll beide Seiten zufrieden stellen. Vorerst.
Berlin. Mittlerweile hat die deutsche Bundesregierung schon einige Erfahrung mit internen Konflikten gesammelt. Möglicherweise wird sie auch deswegen in ihrer Lösungskompetenz kreativ: Am frühen Dienstagabend einigten sich CDU, CSU und SPD auf eine Entscheidung im Fall Hans-Georg Maaßen. Je nach Standpunkt konnte man die Nachricht auf die eine oder andere Weise verbreiten. Maaßen muss als Chef des Verfassungsschutzes gehen, war eine Version. Oder aber: Maaßen wird nun Staatssekretär im Bundesinnenministerium und soll dort für Innere Sicherheit zuständig sein.
Was ist es nun, was am Dienstagabend im Büro von Bundeskanzlerin Angela Merkel zwischen den Spitzen der drei Parteien beschlossen wurde – ein Wechsel, ein Abgang, eine Beförderung? Die Antwort ist wohl: etwas von Allem. Zumindest finanziell dürfte selbst Maaßen von der Entscheidung profitieren. Ein Kompromiss also, der alle zufrieden stellen soll – und womöglich niemanden befrieden wird. Denn die ursprüngliche Frage ist nach wie vor nicht beantwortet: Vertraut die Regierung dem langjährigen obersten Verfassungsschützer noch? In einer offiziellen Erklärung aus dem Kanzleramt hieß es am Dienstagabend nur: „Bundesinnenminister Horst Seehofer schätzt Maaßens Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit, allerdings wird er im Ministerium nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein.“ Mehr Details sollen heute, Mittwoch, folgen.
Die Entscheidung war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Koalitionsparteien einigen konnten: Maaßen hatte mit einem Interview in der „Bild“-Zeitung vor eineinhalb Wochen für heftige Kritik gesorgt. Der Verfassungsschutzchef kommentierte die Ausschreitungen in Chemnitz nach dem Tod eines 35-Jährigen. Seiner Behörde würden keine Informationen darüber vorliegen, dass es in der ostdeutschen Stadt zu sogenannten Hetzjagden gekommen sei. Ein Video, das von vielen dafür als Beleg angeführt wurde, sei „nicht authentisch“. Das war unter anderem eine offene Kritik an Merkel.
Ins Detail ging Maaßen allerdings nicht. Auch seine Erklärungen in einem internen Bericht reichten nicht jedem: CSU-Chef und Innenminister Seehofer stärkte Maaßen zwar den Rücken. Doch vor allem die SPD hatte das – ohnehin nicht besonders ausgeprägte – Vertrauen zum obersten Verfassungsschützer verloren.
Personalfrage wurde zum Machtkampf
So entwickelte sich die Personalfrage zu einem Machtkampf zwischen den Regierungsparteien. Zunächst versuchte die Bundeskanzlerin noch, die Sache auf ihre Weise zu klären: Die Krise aussitzen, im Hintergrund agieren. Als der Plan nicht aufging, soll sie auf einen Abgang Maaßens gedrängt haben. Doch Seehofer sprach sich dagegen aus – immerhin ist die Behörde in seinem Ressort angesiedelt. Eine weitere Schwächung seiner Machtposition innerhalb der Koalition wollte er vermeiden.
Vor allem an der SPD-Basis witterte man nun eine Chance, wieder Stärke und Präsenz zu zeigen: Jusos-Chef Kevin Kühnert forderte sogar ein Ende der Koalition, sollte Maaßen nicht seinen Posten räumen. Dazu sollte es aber nicht kommen, meinte Nahles am Wochenende: „Herr Maaßen muss gehen, und ich sage euch, er wird gehen.“
Nun geht er tatsächlich – ins Innenministerium. Damit dürfte die Krise allerdings nicht vorbei sein. Nahles selbst wollte sich am Dienstagabend noch nicht zu Wort melden, in ihrer Partei äußerten sich aber schon die ersten Kritiker.
Auf einen Blick
Hans-Georg Maaßen (55) wurde 2012 zum Präsident des Verfassungsschutzes ernannt – und soll nun Staatssekretär im Innenministerium werden. In den vergangenen Wochen stand er vor allem wegen eines Interviews mit der „Bild“-Zeitung in der Kritik. Dabei ging es um die Ausschreitungen in der sächsischen Stadt Chemnitz, Maaßen kritisierte unter anderem die Berichterstattung darüber. „Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass Hetzjagden stattgefunden haben“, sagte er.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)