Wie man der AfD neue Wähler zutreibt

Fall Maaßen als Paradebeispiel für Berlins dysfunktionale Koalition.

Eine neuerliche Vertagung im Fall Maaßen wäre einer veritablen Blamage gleichgekommen. Die SPD drängte geschlossen auf den Rücktritt des Chefs des Verfassungsschutzes. Die Prämisse lautete: Eine Lösung musste her, und die Koalition durfte nicht leichtfertig und wegen einer Personalie auf hochrangiger Beamtenebene aufs Spiel gesetzt werden.

Allen Beteiligten war klar, dass Hans-Georg Maaßen nicht im Amt bleiben konnte. Ein Top-Spion der Republik, der ständig in den Medien ist, ist fehl am Platz. Zu ungeschickt hatte der CDU-Mann vor allem nach den Vorfällen in Chemnitz agiert. Nicht zuletzt hatte er es sich mit der Kanzlerin verscherzt. Die eleganteste Lösung, einen freiwilligen Rücktritt, verwehrte Maaßen indessen seiner Chefin.

Wie konnten die Parteien nur ihre Fassade wahren? Die SPD auf der Suche nach neuem Profil brauchte dringend einen symbolischen Erfolg für die notorisch unzufriedene Basis. Dem angeschlagenen CSU-Chef Horst Seehofer musste eine Demütigung vor den Landtagswahlen in Bayern erspart werden – und Merkel musste ihre Regierung zusammenhalten. Ein Wegloben Maaßens in einen neuen, höher dotierten Job, wie es zur Debatte stand, sollte nun fast alle zufriedenstellen. Es ist über alle Maßen zynisch. So treibt man der AfD neue Wähler zu.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)

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