Sie wolle die Relevanz für den EU-Ratsvorsitz prüfen. Die "ganz normale Frage" sei nicht mit Kanzler Kurz abgesprochen. Die FPÖ-Position, die das EU-Verfahren gegen Ungarn ablehnt, ist für diesen keine antieuropäische Haltung.
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat das Ersuchen verteidigt, das sie am Wochenende an den juristischen Dienst des EU-Rates in Sachen Einleitung des Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn gerichtet hat. Es habe sich dabei "um eine ganz normale Frage" gehandelt, um herauszufinden, ob die "Bedenken Ungarns von Relevanz für den EU-Vorsitz sind", sagte Kneissl am Dienstag im EU-Hauptausschuss.
Es sei nur "recht und billig", Juristen mit diesem Thema zu befassen, für das es noch keine Präzedenzfälle gebe. Mit dem Bundeskanzler habe sie das Vorgehen nicht abgesprochen. Die Initiative ging ursprünglich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus. Für die FPÖ ist das Abstimmungsergebnis im EU-Parlament nicht rechtmäßig zustande gekommen, weil Stimmenthaltungen nicht in das Ergebnis eingeflossen sind. Der juristische Rat erklärte sich aber bereits für unzuständig in dieser Frage, die eine andere EU-Institution betrifft. Ungarn will die Abstimmung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anfechten. Das Europaparlament leitete das Verfahren wegen schwerwiegender Verletzungen der Demokratie und der europäischen Werte ein. Im schlimmsten Fall kann dies zum Entzug der Stimmrechte in den EU-Gremien führen.
Abstimmung "kein Urteil"
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist die Haltung der FPÖ kein Zeichen einer anti-europäischen Einstellung. Die CSU in Deutschland habe fast geschlossen gegen das Verfahren gestimmt. "Ich kenne viele der Abgeordneten, ich würde ihnen nicht per se vorwerfen, dass sie Anti-Europäer sind, nur weil sie diese Sachfrage anders beurteilen", sagte er im Ausschuss. Der Kanzler betonte auch, dass mit der Abstimmung noch "kein Urteil" gesprochen sei. Es gehe lediglich um die Aufnahme eines Dialogs.
Ungarn stand eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung des EU-Hauptausschusses, der sich ausschließlich dem informellen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg am Mittwoch und Donnerstag widmen sollte. Kurz stellte in seiner Eingangsrede die Schwerpunkte des Treffens vor und betonte dabei das Thema Brexit. Die jüngsten "sehr pointierten" Äußerungen der britischen Regierungschefin Theresa May "geben Anlass zur Hoffnung", dass der Austausch in Salzburg "moderater und kompromissbereiter" vonstatten gehen werde als in der Vergangenheit. Beim zweiten Schwerpunktthema Migration und innere Sicherheit hofft der Kanzler darauf, die Kritiker eines Ausbaus der EU-Grenzschutzagentur Frontex von der Notwendigkeit der Aufstockung zu überzeugen, um "im Dezember (im Rat, Anm.) einen Beschluss zu fassen". Was die engere Kooperation mit Drittstaaten anbelangt, gab sich Kurz nach seiner Ägypten-Reise am Sonntag "sehr optimistisch".
Verteilung der Ankommenden
Das Thema Flüchtlingsverteilung sei in der europäischen Debatte "immer mehr in den Hintergrund" getreten, sagte der Kanzler. In diesem Zusammenhang verwahrte er sich gegen die Einschätzung der Neos-Abgeordneten Claudia Gamon, die die Länder an den EU-Außengrenzen "auf sich allein gestellt" sah. Die "mediale Wahrnehmung" entspreche "nicht immer zu hundert Prozent den Fakten". In keinem einzigen Jahr hätten Griechenland oder Spanien so viele Asylanträge zu bewältigen gehabt wie Deutschland. In Österreich kämen täglich knapp 50 Asylwerber an. "Wenn man die in einen Bus setzt, und dann die Frage stellt, wo fährt der hin, (...) wer nimmt jetzt den ganzen Bus voller Asylwerber, (...) also diese Debatte könnte man genauso führen." Aber Flüchtlingsschiffe seien eben "plakativer" als Busse, sagte der Kanzler.
(APA)