Österreicher "sparen sich arm"

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THEMENBILD-PAKET: SPARPAKET/SPARBUCH/BANKEN/ZUKUNFTSVORSORGEAPA/BARBARA GINDL
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Auch wenn eine Umfrage zeigt, dass die Österreicher bei Geldanlagen im europäischen Vergleich besonders aktiv sind, liegen über 260 Milliarden Euro Erspartes weiterhin in kaum verzinsten Spareinlagen.

Beim "Presse"-Börsespiel, das am 1. Oktober startet, können Sie kostenlos und ohne Risiko Ihr Geschick an der Börse testen. Aber: Wie viele Österreicher haben sich schon im echten Leben an den Kapitalmarkt gewagt? Gar nicht so wenige, zeigt das aktuelle Income-Barometer von J.P. Morgan Asset Management, das 2018 erstmals in Österreich durchgeführt wurde. Die Umfrage zeigt aber auch: Die Österreicher bleiben auch nach zehn Jahren Niedrigzinsumfeld ein Volk der Sparer. Demnach nutzen 92 Prozent der befragten Personen weiterhin Sparanlagen oder Tages- und Festgelder. Damit liegen sie weit über dem europäischen Durchschnitt von 78 Prozent und müssen seit einem Jahrzehnt immer weiter sinkende Zinsen hinnehmen, während sich beispielsweise der US-Aktienmarkt in dieser Zeit verdreifacht hat. Die aktuelle Befragung zeigt, dass fast zwei Drittel der Österreicher noch Nachholbedarf bei Kapitalmarktanlagen haben, denn wenn die Inflation wie aktuell höher als die Zinsen liegt, spart man sich buchstäblich arm.

(c) J.P. Morgan Asset Management

Die Österreicher sind mit der aktuellen Situation im Ländervergleich auch am meisten unzufrieden. Mit einer Unzufriedenheitsquote von 58 Prozent liegen sie deutlich über dem Durchschnitt der sechs untersuchten Länder von 49 Prozent. Trotzdem ist die Bereitschaft, die „sicheren Anlagehäfen“ zu verlassen, ausbaufähig: Fast zwei Drittel, exakt 62 Prozent, nutzen weiterhin keine Investitionen in den Kapitalmarkt.

Dennoch sind die Österreicher im internationalen Vergleich keine Anlagemuffel. Verglichen mit dem europäischen Durchschnitt von 24 Prozent liegt die Anlegerquote hierzulande mit 38 Prozent deutlich höher. Als Anleger wurden Besitzer von Wertpapieren, Anleihen und Fonds definiert. Dieser Spitzenplatz kommt auch für die Studienautoren überraschend, da in zahlreichen Rankings, die allerdings nur Aktien berücksichtigen, Österreicher stets im Hinterfeld liegt.

„Sowohl bei der Sparquote als auch bei der Geldanlage am Kapitalmarkt präsentieren sich die Österreicher in unserem Income-Barometer als Europameister“, unterstreicht Christoph Bergweiler, Leiter Österreich, Deutschland, Zentral- und Osteuropa sowie Griechenland bei J.P. Morgan Asset Management.

Kaum Umdenken

Dennoch sei es bemerkenswert, dass die hohe Unzufriedenheit mit den Sparerträgen über so lange Zeit kaum zu einem Umdenken geführt hat. Eine deutliche Reaktion auf die niedrigen Zinsen bleibt nämlich weiterhin aus: Mit 54 Prozent spart mehr als die Hälfte der Österreicher einfach genauso viel wie vorher. Sechs Prozent der Befragten haben die Sparquote erhöht, um die geringeren Erträge anzupassen, 22 Prozent sparen weniger.

Dabei ist sich ein Großteil der Befragten bewusst, dass das Niedrigzinsumfeld mittelfristig anhalten wird: Das Income-Barometer zeigt, dass 59 Prozent der Österreicher einen Zinsanstieg erst in fünf Jahren oder mehr erwarten, weitere 27 Prozent glauben, dass es zumindest zwei bis drei Jahre dauert, bis das Sparbuch wieder mehr abwirft. Damit schätzen die Befragten aus Österreich die Zinszukunft deutlich realistischer ein als der europäische Durchschnitt.

Als Hauptgrund dafür, warum Österreicher auf dem Kapitalmarkt nicht aktiver werden, führt jeder zweite Befragte die Angst vor Schwankungen und damit verbundene Verluste an. Weitere 35 Prozent der Österreicher glauben, dass sie nicht genug Geld haben, um zu investieren. Und jeder Dritte ist überzeugt, zu wenig Wissen über den Kapitalmarkt zu haben.

Der Risikobereitschaft der Österreicher steht ein sehr hoher Sicherheitsbedürfnis entgegen. Für jeden dritten Befragten steht Kapitalerhalt vor Wertsteigerung. Im europäischen Vergleich sind die Österreicher damit schon unter den Mutigeren.

J.P. Morgan Asset Management

Ausweg aus dem Dilemma

40 Prozent der befragten Österreicher finden es angesichts der aktuellen Zinssituation schlauer, größere Anschaffungen zu machen, als zu sparen – so kommt der Frust der Sparer deutlicher zum Vorschein als im europäischen Durchschnitt, wo diese Antwort bei 23 Prozent Zustimmung lag.

Es gibt aber auch Aussagen, die belegen, dass ein Teil der befragten Österreicher gar nicht so wenig kapitalmarktaffin ist: 24 Prozent der Befragten wünschen sich nämlich regelmäßige Ausschüttungen auf ihrem Konto, die zeigen, was das Ersparte „verdient“ hat. Weitere 23 Prozent bestätigen, dass sie Wertpapiere bevorzugen würden, da Sparanlage gerade nichts einbringen und noch einmal 23 Prozent sind auf der Suche nach einer Alternative zur klassischen Zinsanlage, die auch regelmäßige Ausschüttungen bietet. Dass diese Ausschüttungen auf dem Kapitalmarkt zu finden sind, wissen nur zwei Drittel der befragten Österreicher.

Income-Barometer 2018

Christoph Bergweilers Fazit zum Income-Barometer 2018 lautet: „Auch wenn die Österreicher bei unserer Befragung unter allen sechs Ländern positiv herausragen ist es erschreckend, wie groß auch nach zehn Jahren Niedrigzinsfrust die Scheu der Privatanleger vor dem Kapitalmarkt ist. Der Beratungsbedarf ist weiterhin hoch, denn mit etwas mehr Wissen über die Märkte und die Wirkungsweise von Diversifikation, Zinseszinseffekt oder die langfristige Aushebelung der Volatilität wird der Schritt vom Sparer zum Anleger vielleicht doch etwas einfacher. Die Österreicher horten immer noch mehr als 260 Milliarden Euro in kaum verzinsten kurzfristigen Anlagen.“

Das Income-Barometer von J.P. Morgan Asset Management basiert auf einer repräsentativen Befragung durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) unter 1.000 österreichischen Frauen und Männern zwischen 18 und 65 Jahren. Insgesamt wurden im März und April 2018 8.198 Privatanleger in Belgien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Österreich und Spanien befragt. Die Studie erfasst das aktuelle Spar- und Anlageverhalten der Privatanleger sowie Aspekte wie ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Anlageformen, ihr Anlageorizont, ihre Risikobereitschaft sowie ihre Einstellung zu und Wissen über Zinsen, Fondslösungen und regelmäßige Erträge („Income“).

(red./herbas)

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