Gewerkschaft: Ein heißer Herbst – aber nur für die SPÖ

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Ein weitgehender Streikbeschluss des ÖGB ging im Chaos um Christian Kerns Rücktritt unter.

Wien. Es war gut geplant. 900 Gewerkschafter kamen am Dienstag in Wien zusammen, um Gemeinsamkeit zu demonstrieren und den „heißen Herbst“ für die Regierung vorzubereiten. Im Gepäck hatte man Einzigartiges: Einen weitgehenden Beschluss, der jederzeit Streiks möglich macht. So etwas hatte es in Österreich noch nie gegeben. Nur weiß kaum jemand davon, weil es im Chaos um Christian Kerns Doch-Nicht-Rücktritt als SPÖ-Chef völlig unterging.

„Wir sind auf ziemlich alle sauer“, meint ein Gewerkschafter auf die Frage, wen man denn dafür verantwortlich macht. Auf die Gegner Kerns, die den vermeintlich bevorstehenden vollständigen Rückzug Kerns an die Medien weitergegeben hätten. Und auch auf Kern und seine Gefolgschaft, die das nicht sofort klargestellt hätten.

Dass Kern plant, Spitzenkandidat bei der EU-Wahl zu werden, war der Gewerkschaftsspitze bekannt. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian war laut verschiedenen Informationen einer der wenigen, die seit Tagen in den Plan von Christian Kern eingeweiht waren. Katzian hatte kein Problem damit, weil es eben nie vorgesehen war, dass das Vorhaben ausgerechnet am Dienstag bei der großen Gewerkschaftskonferenz bekannt wird.

Dabei sollte dieses Treffen der medientaugliche Auftakt für eine konzertierte Aktion gegen die türkis-blaue Regierung sein, für den oftangekündigten „heißen Herbst“, mit dem endlich auch die SPÖ in ihrer Oppositionsrolle wachsen sollte. Oder besser: sie überhaupt wahrnehmen sollte. Mit Vorgaben für alle Kollektivvertragsverhandlungen (die heute, Donnerstag, mit den Metallergewerkschaften beginnen) sollten die Vorhaben der Regierung, wie etwa der Zwölfstundenarbeitstag, torpediert werden.

Streikbeschluss auf Vorrat

Dafür hatte der ÖGB auch das schwerste Geschütz aufgefahren, das die Gewerkschaft in ihrem Arsenal hat. Zum ersten Mal in seiner Geschichte gab der Bundesvorstand Carte blanche für mögliche Streiks. In der Praxis heißt das, dass jede Teilgewerkschaft jederzeit Kampfmaßnahmen und Streiks beschließen kann.

Normalerweise würde eine solche Ankündigung dicke Schlagzeilen und Spitzenmeldungen garantieren. Nicht aber, wenn zeitgleich der Parteichef der SPÖ zurücktritt (oder am Ende eben auch nicht) und damit die Medien beschäftigt.

„Wir werden das schon wieder hochziehen“, meint ein hochrangiger Gewerkschafter pragmatisch. Glücklich sei das alles nicht gelaufen – weniger noch für die Gewerkschaft, mehr für die SPÖ. Aber dadurch lasse man sich nicht entmutigen. „Den heißen Herbst wird es noch geben.“

Und der erfordert auch von einem Spitzenfunktionär ein berufliches Opfer, auch wenn ihm dabei wahrscheinlich das Herz blutet. Der Fußball-Bundesligist Austria Wien kündigte jetzt an, dass Wolfgang Katzian als Präsident des Verwaltungsrats vorzeitig bereits im November zurücktreten werde. Er wolle sich ganz auf seine Funktion als ÖGB-Präsident konzentrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

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