EU-Regierungschefs geben Hoffnung auf zweites Referendum nicht auf

Die britische Premierministerin, Theresa May, und ihre Amtskollegen beim EU-Gipfel in Salzburg.
Die britische Premierministerin, Theresa May, und ihre Amtskollegen beim EU-Gipfel in Salzburg. (c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Angesichts der festgefahrenen Austrittsverhandlungen sollten die Briten erneut befragt werden, wünschen sich einige Regierungschefs. May winkt ab.

Salzburg. Könnten die Briten doch noch einmal über den EU-Austritt abstimmen? Geht es nach dem Willen einiger EU-Regierungschefs, sollte das durchaus forciert werden. Eine wachsende Zahl unterstützt nach Angaben des maltesischen Regierungschefs, Joseph Muscat, die Forderung nach einer neuerlichen Abstimmung. „Wir wollen, dass das beinahe Unmögliche passiert, dass das Vereinigte Königreich ein weiteres Referendum abhält“, sagte Muscat am Rand des EU-Gipfels in Salzburg dem Sender BBC. Premierministerin Theresa May sprach sich allerdings erneut dagegen aus, wie Gipfelteilnehmer berichten.

Fest steht, dass die EU-Austrittsverhandlungen in die Verlängerung gehen. Darauf haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs geeinigt. Statt des regulären Oktobergipfels soll nun ein Sondergipfel im November die Gespräche abschließen. Voraussetzung sind ausreichend Fortschritte bis Ende Oktober. Bis dahin hat May eine Lösung für die innerirische Grenze versprochen.

Klar abgelehnt wurde in Salzburg der Versuch von May, ihr Land nur noch in Teile des Binnenmarkts zu integrieren. Zwar sind die meisten EU-Regierungen für einen künftigen Freihandel mit Großbritannien offen. Doch dieser dürfe, wie Frankreichs Staatspräsident, Emmanuel Macron, betonte, nicht die Integrität des Binnenmarkts stören. „Wir haben sehr klare Prinzipien“, sagte Macron. Diese gälten sowohl für den Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten für Kapital, Waren, Dienstleistungen und Menschen als auch für die irische Grenze. May hatte vorgeschlagen, dass ihr Land im Bereich Warenhandel weiterhin im EU-Binnenmarkt verbleiben solle. Bei Dienstleistungen und vor allem bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist aus Londoner Sicht keine Teilnahme mehr vorgesehen.

Kontrollen an irischer Grenze

Ein teilweises oder gänzliches Ausscheiden Großbritanniens aus dem Binnenmarkt würde allerdings Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und Irland notwendig machen. Dieses Problem dürfte erst in den letzten nächtlichen Verhandlungen gelöst werden, hieß es in Salzburg.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sich um eine Annäherung zwischen London und den restlichen EU-Ländern bemühte, sieht noch unvereinbare Positionen. Abseits der harten Medienstatements seien sich aber innerhalb der Sitzung beide Seiten bewusst gewesen, dass es eine Lösung nur gebe, wenn man sich aufeinander zubewege. Theresa May habe ihre Position dargelegt, sagte Kurz. „Sie wissen, dass die Zugänge nach wie vor sehr unterschiedlich sind.“

Die Premierministerin hatte in einer zehnminütigen Rede die britische Position erklärt. Laut deutschen Kreisen präsentierte sie dabei aber keine neuen Lösungsansätze. Eine der schwierigen Fragen bei einem weiteren Freihandel zwischen EU und Großbritannien ist die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs und die britische Übernahme von EU-Regeln. Es ist kaum vorstellbar, dass London dies lediglich bei Waren akzeptieren muss, nicht aber bei Dienstleistungen. Das wäre ein Binnenmarkt à la carte, wie ihn die Rest-EU nicht ermöglichen will.

BREXIT-SONDERGIPFEL

Im November findet in Brüssel ein Sondergipfel zum EU-Austritt Großbritanniens statt. Das vereinbarten die EU-Staats- und Regierungschefs in Salzburg. Bis dahin – voraussichtlich 17., 18. November – sollen beide Seiten mögliche Lösungsvorschläge für eine weitere Zusammenarbeit vorlegen. Kommt keine Einigung zustande, würde Großbritannien ohne jegliches Abkommen aus der EU austreten. Das würde die sofortige Wiedereinführung von Zollkontrollen und weiteren Handelseinschränkungen bedeuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2018)

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