Die junge Kunstszene in Wien erwacht gerade zum Leben

In der Wohnung von Sammler Florian Staudinger ist viel heimische Kunst zu finden.
In der Wohnung von Sammler Florian Staudinger ist viel heimische Kunst zu finden.(c) Sophie Pözl
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Wien hat international immer noch ein verstaubtes Image. Doch in der jungen Kunstszene tut sich hier gerade sehr viel: Neue, junge Galerien, viel toller Nachwuchs von den Akademien – und dank der Viennacontemporary wird Wien auch international wahrgenommen.

Wien rockt“, sagt Florian Staudinger, Unternehmer und Kunstsammler. Das mag viele überraschen, denn die Stadt hat den Ruf, primär bei den klassischen und darstellenden Künsten groß zu sein. Denkt man an Wien, denkt man an Oper, das Neujahrskonzert, Alte Meister im Kunsthistorischen Museum und an Klimt und Schiele. Man denkt jedoch nicht an zeitgenössische Kunst und Design. Lange Zeit entsprach das der Realität – aber es hat sich viel getan in den letzten Jahren und Wien ist zur hippen, kreativen Stadt geworden.

Staudinger ist jemand, der das beurteilen kann. Er studierte Kunstgeschichte, arbeitete bei Sotheby's in Wien und ging vor zehn Jahren nach New York, wo er den Master of Contemporary Art machte. Schließlich blieb er drei Jahre dort. Mit Anfang 30 kam er zurück, weil er den Familienbetrieb im Mendlingtal übernahm. „Als ich zurückkam, hatte ich das Gefühl, ich kann hier nicht leben. Aber inzwischen ist Wien ganz anders, es hat sich toll entwickelt, ist jung und dynamisch.“ Seine Liebe zur Kunst lebt er jetzt beim Sammeln aus. Das sei, wenn man gleichzeitig die Verantwortung für einen Betrieb hat, oft gar nicht so einfach. „Wir haben 13 Gebäude zu erhalten. Manchmal sieht man ein tolles Werk, braucht aber das Geld für ein leckes Dach“, erzählt er. Doch Kunst zu sammeln, sei nicht mit hohen Summen verbunden. „Mein billigstes Werk hat 300 Euro gekostet. Man bekommt tolle Arbeiten für 1500 Euro und ab 3000, 4000 Euro fangen mein Partner und ich schon ernsthaft an darüber zu diskutieren, ob wir das wirklich brauchen.“ Im Haus in Mendling und in der Wiener Wohnung findet man viele junge österreichische Künstler, darunter Michael Höpfner, Benjamin Eichhorn, Tina Lechner oder Sophie Pölzl.

Vom Dinner zum Sammler. Ein Abendessen bei einer Freundin, die Mitarbeiterin eines Auktionshauses ist, war die Initialzündung für Florens Eblinger, Geschäftsführer von Eblinger & Partner Personalberatung, sich mit zeitgenössischer Kunst zu beschäftigen. „Die Wohnung war dicht mit zeitgenössischer Kunst bestückt und das war der Anlass, dass meine Frau und ich begonnen haben, uns mit Gegenwartskunst zu beschäftigen“, erzählt Eblinger. Sie hätten sich viel in Galerien umgesehen, seien auf Auktionen gegangen und auf internationale Messen gefahren. Inzwischen ist die Sammlung auf 150 Werke gewachsen. „Zu Beginn haben wir mit weniger Geld gekauft. Jetzt passiert es uns schon manchmal, dass wir in einem Jahr mehr ausgeben, als geplant war.“ Inzwischen spiele auch der Investmentgedanke mit. „Wir sammeln zwar nicht aus Investitionsgründen, aber wir überlegen uns schon, wofür wir das Geld ausgeben und ob der Künstler nachhaltig ist“, sagt Eblinger. Der Wiener Szene streut er Blumen. „Die Messen Viennacontemporary und Parallel sind spannende Formate, die im internationalen Kontext mithalten können. Das war nicht immer so“, betont er. Auch an den Akademien kämen seiner Meinung nach viele gute Künstler nach.

Das bestätigt auch Andrea Jungmann, Direktorin von Sotheby's Österreich. Sie fördert mit der Initiative „Artist Quarterly“ junge Künstler aus Österreich. „Wir haben kein Problem, spannende junge Künstlerinnen und Künstler zu finden. Die Auswahl ist groß“, sagt sie. Zu Beginn sei es viel Malerei gewesen, aber mittlerweile würden die Jungen auch mehr konzeptionell arbeiten und mit allen Medien. „Die Stadt bewegt sich. Es haben in letzter Zeit einige neue, junge Galerien aufgesperrt. Dazu gehört eine ordentliche Portion Mut“, freut sich Jungmann. Ihr fehlen aber immer noch richtig große Sammler. Aber vielleicht wird das noch, denn sie beobachtet schon, dass mehr Jungsammler nachkommen.

Sophie Tappeiner ist eine der jungen Galeristinnen, die vor etwas mehr als einem Jahr in der Innenstadt eine Galerie aufgesperrt haben. Sie hat gute Erfahrungen gemacht. „Die junge Kunstszene in Wien ist am Wachsen. Die Infrastruktur wird internationaler, es sind mehr internationale Künstler, Professoren, Kuratoren und Kunstkritiker in der Stadt. Und es gibt auch viele gute Projekträume, Off-Spaces und Initiativen wie curated by“, sagt Tappeiner. Sie habe von Tag eins an Unterstützung gehabt, sowohl von anderen, etablierten Galerien als auch von Sammlern. „Ich hätte die Österreicher viel konservativer eingeschätzt.“ Auf der Viennacontemporary ist sie heuer zum ersten Mal vertreten. Für die österreichischen Sammler, die immerhin rund 60 Prozent ihrer Käufer ausmachen, sei es wichtig, auf dieser Messe präsent zu sein.

Viel Unterstützung hatte auch die Künstlerin Tina Lechner. „Ich hatte das Glück, dass ich sehr schnell nach meinem Studium von einer Galerie vertreten wurde“, sagt sie. Bei ihr habe sich nach der Viennacontemporary auch an Käufen einiges ergeben. Sie sei damals in der Zone1 gezeigt worden. „Es gibt auch viele junge Sammler. Kunst ist heute ein größeres Thema, man findet leichter Zugang“, sagt die Künstlerin.

Der deutsche Künstler Lukas Troberg hat sich bewusst für Wien entschieden. „Die Frage war, studiere ich in Berlin oder in Wien, und ich habe mich für Wien entschieden. Wien ist ein Sleeping Dragon.“ Die Wiener Kunstszene sei viel besser vernetzt als die Berliner. Die jungen Künstler hätten verstanden, dass sie sich vernetzen müssen. „Bei den Sammlern fehlt noch ein wenig der Mut, Junge zu kaufen. Obwohl ich auch viele gesetzte Sammler erlebt haben, die sowohl etablierte als auch junge Kunst kaufen. Da standen dann neben Wurm und West ganz junge Positionen.“

Johann Nowak von der DNA Galerie in Berlin, die sich vermehrt auf Medienkunst spezialisiert, sieht Österreich in dem Bereich ganz vorn. „Ich war heuer auf der Ars Electronica, da gibt es neu auch Gallery Spaces, das war wirklich beeindruckend. Hier kommt eine ganz neue Künstlergeneration hervor, die wirklich führend ist“, sagt Nowak. Deshalb habe er Pläne, einen Ableger der Ars Electronica samt einer dazugehörigen Messe nächstes Jahr in Berlin auf die Beine zu stellen.

Christina Steinbrecher-Pfandt, langjährige künstlerische Leiterin der Viennacontemporary, hat in Wien auch positive Erfahrungen gemacht. „Es gibt viele Privatsammlungen, die uns nach einer Anfangsphase die Türen aufgemacht haben und uns unterstützen. Und es gibt in Österreich meiner Erfahrung nach obsessive Sammler, die neugierig, offen und echte Jäger sind.“ Der Sleeping Dragon scheint zu erwachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2018)

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