Pop

Jeff Lynne in der Wiener Stadthalle: Der Melodiekönig am Apparat

Jeff Lynne auf dem Glastonbury Festival 2016.
Jeff Lynne auf dem Glastonbury Festival 2016.(c) imago/Future Image (imago stock&people)
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Das Electric Light Orchestra, eine der größten Bands der Popgeschichte, in der Wiener Stadthalle: Die nostalgische Hitparade kitzelte das Teeniehafte in Senioren heraus.

Über die Wucht der menschlichen Stimme im technischen Apparat machte sich schon Kulturkritiker Walter Benjamin Gedanken. „Ich war gnadenlos der Stimme ausgeliefert, die da sprach. Nichts war, was die unheimliche Gewalt, mit der sie auf mich eindrang, milderte.“ Diese Stimme macht sogar seine Überlegungen nichtig. „Ich übergab mich dem ersten besten Vorschlag, der durch das Telefon an mich erging“, heißt es in einer Erinnerung an seine Kindheit. Auch er, der sonst so kritisch war, wäre wohl willfähriges Opfer der Smart-Phone-Manie geworden.
Zumal in Zeiten der Liebe. Und um die geht's, wenn sich Popmusik mit dem Telefon beschäftigt. Jeff Lynne lieferte 1976 mit „Telephone Line“ einen Klassiker. Dabei passte er die Oszillatoren der für das Intro verwendeten Moog-Synthesizer genau ans amerikanische Telefonläuten der Siebziger an. Typisch für den Perfektionisten Lynne. Diesen Hit hatte er auch nun, bei seinem allerersten Konzert in Österreich, parat. Mit quenglig verliebter Stimme drückte er in der Wiener Stadthalle auf die Tränendrüse. Dringlicher klingt auch aktuelle Smart-Phone-Erotik, etwa bei Drakes „Hotline Bling“ oder Adeles „Hello“, nicht.

Grenzenloser Jubel in Wien

Erstaunlich, wie die Mischung aus Prog-Rock-Elementen, Klassik-Einschüben und süßen Melodien immer noch ins Blut geht, zumal ELO mit ihrem orchestralen Rock bei Aufkommen von Punk und New Wave so out waren wie kaum je eine Band zuvor. Dabei lieferten sie nichts als Qualität. Das 1970 gegründete Electric Light Orchestra wollte weitermachen, wo die Beatles aufgehört hatten. Das glückte mit Bravour. Lennon nannte ELO „sons of the Beatles“. Nach Lennons Tod produzierte Lynne zwei unveröffentlichte Beatles-Songs. Mit George Harrison arbeitete er besonders eng zusammen. U. a. bei den von Lynne gegründeten Traveling Wilburys, in der auch Bob Dylan, Tom Petty und Roy Orbison zugange waren. Aus dieser Phase schwindelte Lynne das an die Ästhetik Roy Orbisons angelehnte „Handle With Care“ ins ELO-Programm.

Über den Musikern schwebte das Ufo-Logo, das auch das aktuelle Album „Alone In The Universe“ ziert. Von ihm hörte man nur das wehe „When I Was A Boy“, eine Ballade, die intensiv nach Lennon klingt. Auf ihrer Tour de force durch Hits von „Livin' Thing“ bis „Evil Woman“ ließ die Band einige aus – „Last Train To London“ nicht zu hören, tat weh. Die Stimmung im Saal war dennoch zu Recht euphorisch. Seltsam war bloß, dass (und da sind wir wieder beim Telefon) die Songerkennungs-App darauf bestand, Lieder aus dem vorjährigen „Live At The Wembley“ zu erkennen. Ein Schelm, der denkt, dass mit Playback manipuliert wurde. Wahrscheinlicher ist, dass ELO so perfekt spielten, dass die App versagte. Der Jubel war jedenfalls grenzenlos.

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