Indirektes Misstrauensvotum gegen Kanzlerin

Abwahl des CDU-Fraktionschefs Kauder ist Symbol für Merkels Autoritätsverlust.

Volker Kauder, der biedere, mitunter schlitzohrige Schwabe, war der Treueste der Getreuen Angela Merkels. Erst als Generalsekretär und dann fast 13 Jahre als Fraktionschef hielt er als Erfüllungsgehilfe der Partei- und Regierungschefin die CDU-Reihen zusammen. Dass er nun abgewählt wurde, liegt an seinem rigiden Führungsstil, mehr noch aber an der grassierenden Unzufriedenheit mit der Koalition und der Kanzlerin, die zuletzt im Fall Maaßen ihre Verschleißerscheinungen deutlich gezeigt hat.

Schon im Asylstreit, als CSU-Chef Horst Seehofer vor der Sommerpause eine Koalitionskrise provozierte, rumorte es auch in der CDU. Jetzt reichte nicht einmal Merkels Eingeständnis, die Causa Maaßen falsch eingeschätzt zu haben, den Unmut zu übertünchen und einzudämmen. Darum manifestiert sich im Votum gegen Kauder – einem Bauernopfer des System Merkel – auch ein Misstrauensvotum gegen die Kanzlerin.

Es ist ein Zeichen des Autoritätsverlusts und ein Warnsignal für Merkel, ihren Abgang vorzubereiten und rechtzeitig die Nachfolge zu bestellen. Angela Merkel amtiert immerhin selbst so lange als Kanzlerin wie Volker Kauder als Fraktionschef. Die junge CDU-Garde aus Nordrhein-Westfalen um Gesundheitsminister Jens Spahn macht sich bereits daran, um Merkels Erbe zu kämpfen. Keine drei Wochen vor der Bayernwahl stecken alle drei Koalitionspartner in Berlin in einer massiven Krise.

thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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