Das Kommunikationsproblem des Innenressorts

Innenminister Herbert Kickl.
Innenminister Herbert Kickl. (c) HANS KLAUS TECHT / APA / picture (HANS KLAUS TECHT)
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Der in einem E-Mail empfohlene restriktive Umgang mit Medien ist schon gängige Praxis. Das Mail ist kein Alleingang des Pressesprechers – der Kommunikationschef war involviert. Dieser hat interessante Nebengeschäfte.

Wien. Zum Schluss soll es nur eine ungeschickte Formulierung eines Mitarbeiters gewesen sein, die aber keine Zustimmung findet. So versuchte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Mittwoch das E-Mail zu erklären, das von der Pressestelle des Innenministeriums an die Landespolizeidirektionen gegangen ist und auf massive Kritik stieß. Ministeriumssprecher Christoph Pölzl hatte diese „Empfehlung“ für den Umgang mit Medien ausgeschickt. Sexualdelikte im öffentlichen Raum sollten künftig ebenso mehr betont werden wie die Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen. Gewisse – dem Ministerium offenbar zu kritische – Medien sollten künftig nur jene Informationen erhalten, die zwingend gesetzlich vorgeschrieben sind. „Zuckerln“ solle es keine geben.

Ein Gespräch mit dem Mitarbeiter sei geführt worden, sagte Kickl. Er habe einen Fehler eingestanden. Dazu soll eine neue Kommunikationsleitlinie erarbeitet werden. Ob das nun jene erstellen sollen, die solche E-Mails schreiben, oder ob der Presserat mitwirken wird, ist unklar. Am Mittwoch gab es beim Presserat jedenfalls keine Anfrage dazu. Ebenso wurde das an die Polizeidienststellen gesendete Mail nicht widerrufen – hat demnach Gültigkeit.

Bereits gängige Praxis

Durch Kickls Aussagen wurde aber nicht ein geplanter Umgang mit kritischer Presse abgewendet – im Gegenteil: Das E-Mail ist genau genommen nur die Offenlegung dessen, was im Innenministerium bereits gängige Praxis ist – und was auf die Kommunikationsabteilungen der Polizeidirektionen übergewälzt hätte werden sollen.

Während kritische Medien lang auf Informationen warten („Die Presse“ wartet seit Wochen auf eine Auskunft, die erteilt werden muss), werden dem Boulevard exklusiv Informationen gesteckt.

Dieses E-Mail ist nicht der erste Versuch, die Polizeiarbeit für politische Zwecke zu instrumentalisieren – der „Presse“ sind weitere, ähnliche Schreiben bekannt. Pölzl arbeitete in Kickls Kabinett (also dem politischen Büro), bevor er Sprecher des Ministeriums (also des Beamtenapparats) wurde. Dass er allein dieses Mail geschrieben hat und dass es sich nur um ein Missverständnis handelt, ist auszuschließen. Derartige Anweisungen haben viele Autoren – so ist auch der Kommunikationschef des Innenministeriums, Alexander Marakovits, einer der Empfänger.

Dass dieser ein interessantes Verständnis von Pressearbeit hat, das bis an die Grenze des rechtlich Zulässigen geht, fällt auf. So versuchte er etwa vor einiger Zeit, ein Video von einer tödlich endenden Schießerei vor einer Botschaft von der Polizei zu bekommen, um es an den Boulevard weiterzugeben. Es wurde ihm verwehrt.

„Die Presse“ bekam mehrfach falsche oder gar keine Informationen von ihm. Dabei scheint er auf gute Kommunikation auch Wert zu legen – zumindest, wenn man seine Nebengeschäfte anschaut.

Auf der Seite Auftrittsicher.at bot er gemeinsam mit Manfred Reinthaler, Chef der Presseabteilung der Polizei Wien, Kommunikationsseminare an. Unter anderem wird auf der Homepage auch Krisenkommunikation für Unternehmen angeboten. Marakovits gab gegenüber der „Presse“ an, dass er keine Unternehmen berate, die Probleme mit Behörden haben.

Auffällig ist auch, dass die Homepage nicht auf die Inhaber der Firma registriert ist, sondern auf ein Unternehmen, das auch Auftragnehmer des Innenministeriums ist. Es stellt Druckwerke für die Polizei her. Auf die Frage, warum das so sei und wer die Homepage finanziere, wusste Marakovits keine Antwort. Laut Reinthaler wurde sie von eben jener registrierten Firma erstellt und kostete 2700 Euro – Marakovits habe ein Drittel bezahlt. Das ist ihm offenbar entfallen. Nachdem „Die Presse“ vor einiger Zeit Recherche-Anfragen gemacht hatte, stellte Marakovits seine Nebentätigkeit ruhend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2018)

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