Erdoğans Versöhnungstour geht in Berlin weiter

Ankunft des türkischen Präsidenten in Berlin.
Ankunft des türkischen Präsidenten in Berlin.(c) imago/Christian Spicker (Christian Spicker)
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Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, erhält in Berlin die höchsten protokollarischen Ehren. Nicht nur deswegen sorgt sein Aufenthalt für Kritik.

Berlin. Der veraltete Flughafen Tegel ist keine besonders feierliche Empfangskulisse, aber für den Ehrengast gab man sich alle Mühe: Kurz bevor der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, Donnerstagmittag in Berlin landete, wurden gleich zwei rote Teppiche ausgerollt. Wie es sich Erdoğan gewünscht hatte, erhielt er bei seinem dreitägigen Aufenthalt die höchsten protokollarischen Ehren: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud ihn zu einem offiziellen Staatsbesuch ein. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist aber eher die Ausnahme. In diesem Jahr ist ausgerechnet Erdoğan der erste Gast, der auf diese Weise empfangen wird.

Die Einladungspolitik führte zu massiven Protesten in Deutschland. Der türkische Präsident ist unter anderem nach Attacken auf die Bundesrepublik und Verstößen gegen Menschenrechte heftig umstritten. Und für ihn wurde also der rote Teppich ausgebreitet? Einen „Propagandasieg“ nannte es FDP-Chef Christian Lindner. Seine Teilnahme am offiziellen Staatsbankett im Schloss Bellevue am Freitagabend sagte er daher, wie viele andere Oppositionspolitiker, ab. Wie viele der 120 Gäste erscheinen, verriet man in der Präsidentschaftskanzlei nicht.

Einer davon wird jedenfalls der frühere deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir sein. Zwar stehe außer Frage, dass Erdoğan diese Ehre nicht verdient habe. Özdemir wolle aber ein Signal senden: „Die Opposition gehört zur Politik des Landes dazu.“ Andere Abgeordnete wollten als Zeichen des Protests auf die Straße gehen. Zehntausende Demonstranten waren für Freitag angekündigt.

Der Staatsbesuch war einer von vielen Kompromissen, den die deutsche Regierung bei dem heiklen Treffen mit dem Präsidenten eingehen musste. Auch Erdoğan ging einen Schritt auf Deutschland zu: Er verzichtete während seines Aufenthalts auf eine große Ansprache vor seinen Anhängern. Allerdings wird er am Samstag in Köln die Zentralmoschee des umstrittenen Verbands Ditib einweihen.

Wichtiger Handelspartner

Die Annäherungsversuche sind kein freundschaftlicher Akt, sondern die Konsequenz aus den massiven wirtschaftlichen Problemen der Türkei und den schlechten Beziehungen zu den USA. Erdoğan braucht Europa.

Berlin braucht ihn allerdings auch: Deutschland hat ein Interesse an einer wirtschaftlich und politisch stabilen Türkei als Handelspartner und im Flüchtlingsbereich. Kanzlerin Angela Merkel will bei einem Mittagessen und einem Frühstück einige Streitpunkte ansprechen. Zwei schlechte Nachrichten gab es für Erdoğan schon am Donnerstag: Die EU kürzte ihre Hilfen an die Türkei zur Vorbereitung eines möglichen Beitritts um fast 40 Prozent. Und die Fußball-EM wird 2024 in Deutschland ausgetragen – nicht in der Türkei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2018)

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