Italien beendet Ära der Austerität

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Rom einigt sich auf ein Haushaltsdefizit von 2,4 Prozent des BIP in den nächsten drei Jahren. Es droht ein harter Streit mit Brüssel. Auf dem Anleihenmarkt sorgt die Einigung für Unruhe.

Schluss mit Sparen: Drei Monate nach ihrem Amtsantritt setzt Italiens Regierung, wie Italiens Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini bereits am Mittwoch im Gespräch mit der "Presse" bereits am Mittwoch angedeutet hatte, kräftig auf Neuverschuldung. Mit mehr Defizit wolle die Regierungsparteien Lega und Fünf Sterne-Bewegung die Weichen für Wachstum setzen und ihre Wahlversprechen einhalten.

Die Ära der Austerität ist damit endgültig zu Ende. Italiens Haushaltsdefizit wird in den Jahren 2019, 2020 und 2021 jeweils bei 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, beschlossen die Regierungsparteien nach zermürbenden Verhandlungen mit Wirtschaftsminister Giovanni Tria, der als Garant für Finanzdisziplin galt. Der parteiunabhängige Ökonom hatte auf ein Höchstdefizit von 1,6 Prozent gedrängt, musste jedoch vor dem Druck von Lega und Fünf Sterne-Bewegung kapitulieren. Die sozialdemokratische Vorgängerregierung hatte noch ein Defizit von 0,8 Prozent angepeilt.

Rom droht nun ein harter Streit mit Brüssel. Im Oktober muss Italien den Entwurf für den Haushalt 2019 erst der EU-Kommission sowie den EU-Finanzministern und dann dem Parlament vorlegen. Die EU könnte ein Verfahren gegen Italien in die Wege leiten. Die Brüsseler Behörde hatte die Regierung in Rom mehrmals zu einer vernünftigen Ausgabenpolitik ermahnt. Die Befürchtung ist, dass Italien, die drittgrößte EU-Volkswirtschaft, eine neue Schuldenkrise in Europa lostritt.

Zweithöchster Schuldenberg der Euro-Zone

Denn das Land ächzt im Verhältnis zum BIP unter dem zweithöchsten Schuldenberg in der Euro-Zone. Die Wirtschaft hinkt dem Rest der Währungsunion seit deren Start vor fast zwei Jahrzehnten weitgehend hinterher. Die Zahl der in Armut lebenden Italiener hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Mit einer expansiven Haushaltspolitik wollen die populistischen Kräfte, die die Parlamentswahlen im März gewonnen haben, Italien wieder auf Wachstumskurs bringen.

So kritisierte EU-Kommissar Pierre Moscovici die Haushaltspläne am Freitag scharf. Die Schulden des Landes seien "explosiv", sagte der Franzose. Die EU-Kommission habe kein Interesse an einem Konflikt mit Italien. "Aber wir haben auch kein Interesse daran, dass Italien die Regeln nicht akzeptiert und seine Schulden nicht reduziert."

Zusätzlich 15 Milliarden Euro Investitionen in drei Jahren

Zusätzliche 15 Milliarden Euro öffentliche Investitionen in den nächsten drei Jahren plant die Regierung. Zehn Milliarden Euro sind für eine Mindestsicherung vorgesehen, die die Fünf-Sterne-Bewegung im Wahlkampf versprochen hatte. Auch eine Erhöhung der Mindestpensionen sei geplant, teilte Arbeitsminister Luigi Di Maio mit. Dieser Schritt sei wichtig, um den Italienern würdevolle Pensionen zu garantieren. 1,5 Milliarden Euro fließen in einen Fonds zur Entschädigung der Kleinanleger, die im Zuge von Bankenpleiten in den vergangenen Jahren ihre Ersparnisse verloren haben. Damit will die Fünf Sterne-Bewegung ein weiteres Wahlversprechen halten.

Die Regierung will 2019 die Steuerlast für eine Million Italiener auf 15 Prozent drücken. Die Pensionsreform aus dem Jahr 2012 soll teilweise rückgängig gemacht werden. Damit können mehr Italiener früher in den Ruhestand treten. Zudem seien Investitionen für Schulen, Straßen und Gemeinden vorgesehen.

Doch die Einigung hat am Anleihemarkt am Freitag für Unruhe gesorgt. Anleger warfen in Reaktion auf die Einigung der neuen Regierungskoalition italienische Titel aus den Depots: die Renditen für die zehnjährigen Papiere zogen im Gegenzug im frühen Handel um 15 Basispunkte auf 3,05 Prozent an.

(APA/Micaela Taroni/red.)

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