Hausgeschichte

Wien-Hietzing: Zu Besuch in der Villa Beer

Stephan Huger
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Einst war sie Vorreiter, dann lang in Vergessenheit, heute ist sie wieder zu Anlässen zugänglich: Die Villa Beer in Hietzing, im 13. Wiener Bezirk.

Schlichte Fassade, straighte Ausführung: Auf den ersten Blick erschließt sich der Charme der Wiener Moderne nicht so leicht wie etwa die Pracht der Gründerzeitbauten. Auf den zweiten dafür umso mehr: „Es gibt europaweit einige sehenswerte Beispiele dafür, etwa die Villa Tugendhat in Brünn oder die Villa Müller in Prag, diese sind öffentlich zugänglich und verzeichnen einen unglaublichen Besucherboom“, erzählt die Kunsthistorikerin Maria Welzig. „Und eines der schönsten Beispiele für eine Villa in diesem Stil haben wir hier in Wien.“
Die Rede ist von der Villa Beer in Hietzing. Geplant und erbaut wurde sie von 1929 bis 1931 von Josef Frank und Oskar Wlach. Josef Frank war einer der interessantesten Architekten seiner Zeit. Gemeinsam mit Oskar Strnad begründete er die Wiener Schule der Architektur, eine eigene Strömung innerhalb der Wiener Moderne, die auf eine offene Raumkonzeption und undogmatische Leichtigkeit setzte.

Keine Symmetrie

„Josef Frank hat mit seiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten. Er distanzierte sich von den Vorgaben der Moderne und polemisierte auch gegen die Art des kommunalen Wohnbaus mit den großen geschlossenen Blöcken“, erklärt Welzig. Mit der Villa Beer, erbaut für einen Wiener Industriellen, hat er sein Konzept anschaulich umgesetzt. Neben quadratischen Fenstern sitzen Rundfenster unterschiedlicher Größe, die Erker, Balkone und Terrassen haben jeweils eine eigene Tiefe, Symmetrie hat er tunlichst vermieden.

„Wesentlich ist auch das offene Raumkonzept. Beer hat nicht in Geschoßebenen gebaut, seine Räume sind unterschiedlich hoch und groß. So gibt es Zimmer auf zwei Geschoßebenen, auf die Räume mit niedrigen Höhen folgen, kleine, intime Nischen oder aber Zimmer, die Treppenpodeste aufweisen“, erläutert Kunsthistorikerin Welzig. Der Gegensatz zwischen klein und groß, zwischen hoch und niedrig bestimme die Gestaltung des Hauses. Durch dieses Konzept entstehe eine Art Raumdramaturgie, das Ganze wirke nie statisch. „Wichtig war ihm der Weg durch den Raum, so ist etwa die Treppe einer Schiffsschraube nachempfunden. Das Haus Beer ist das gebaute Manifest seiner Auffassung vom Haus als Weg und Platz.“


Auch die damals übliche hierarchische Unterscheidung – etwa zwischen der imposanten Eingangstür und der unscheinbaren Hintertür für die Bediensteten – hat er aufgehoben. „Die Eingangstür ist von der Größe her nicht von der Hintertür zu unterscheunden. Man betritt einen recht kleinen Vorraum, bevor sich die große Halle vor einem öffnet“, beschreibt Welzig die ungewohnte Eintrittssituation. „Das Obergeschoß ist in Terrassen zurückgestuft, auch das ist ein wesentliches Element der Gestaltung.“

Frank betrieb mit Oskar Wlach auch das Einrichtungshaus Haus und Garten. Frank war einer der Ersten, für den eine Verbindung von innen und außen essenziell für den Hausbau war. „So geschlossen und abweisend das Haus auf der Straßenseite wirkt, so offen ist es auf der Gartenseite. Soweit es die damaligen technischen Möglichkeiten zuließen, hat er große Glaselemente eingesetzt. Im Erdgeschoß öffnen sich zum Garten hin große Glasfenster und vier Meter hohe Glaserker. Es ist fast wie ein Baumhaus, die Idee war, innen und außen ineinander übergehen zu lassen“, sagt Welzig.

Konzept der offenen Räume

Damit war Frank einer der Vorreiter für das heutige Konzept der offenen Räume. Da er auch als Designer gearbeitet hat, hat Frank auch die Innenausstattung der 800 Quadratmeter großen Villa übernommen.
Zurzeit ist die Villa in Privatbesitz, Zugang haben das MAK und das Architekturzentrum, manchmal können auch öffentliche Führungen, veranstaltet vom Architekturzentrum, durchgeführt werden. Welzig plädiert für einen Ankauf der Villa Beer durch die öffentliche Hand: „Sie ist eines der schönsten Beispiele für die eigenständige Wiener Moderne und neben den berühmten Bauten von Mies van der Rohe oder Le Corbusier eines der wichtigsten Baudenkmäler der europäischen Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend sollte sie der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich sein.“ (Von Wolfgang Martin, 29. 9. 2018)

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