Was an jenem 11. Oktober in Kärnten passierte. Von Mythen, Verschwörungstheorien und einem Bundesland in Trauer.
10. Oktober. Für Jörg Haider ist es ein normaler Arbeitstag. Er nimmt an den Festakten zum Kärntner Landesfeiertag teil, gibt Interviews, besucht eine Lokaleröffnung. Am Abend schaut er noch bei der Präsentation eines neuen Szenemagazins in Velden vorbei. Gegen 23 Uhr verlässt er die Party, um heim ins Rosental zu fahren. Er hat bis dahin wenig getrunken, darin sind sich alle Beobachter einig. Haider wählt aber nicht den kurzen direkten Weg, sondern fährt über Klagenfurt. Dort wird er um 23.30 Uhr im Stadtkrämer, einem von Homosexuellen besuchten Lokal, gesehen. Er hat eine Flasche Wodka vor sich stehen.
11. Oktober, 1.00 Uhr. Haider bricht auf, ein Mann meldet sich später bei der Staatsanwaltschaft und berichtet, er habe dem offensichtlich alkoholisierten Landeshauptmann angeboten, ihn nach Hause zu fahren. Haider lehnt ab.
1.15 Uhr. Haider überholt auf der Rosentaler Straße bei der Ortschaft Lambichl mit seinem VW Phaeton mit hoher Geschwindigkeit einen anderen Pkw, kommt von der Straße ab, fährt gegen eine Hecke und prallt mit der Fahrertür gegen einen Hydranten. Jörg Haider erleidet schwerste Verletzungen. Wenige Minuten später sind Rettungskräfte am Unfallort und bringen Haider noch ins Landeskrankenhaus. Doch laut Autopsiebericht war er sofort tot. Und er hatte, ebenfalls laut Autopsie, 1,8 Promille Alkohol im Blut.
4.20 Uhr. Die Austria Presse Agentur sendet die erste Eilmeldung zu Haiders Tod. Eine beispiellose Medienberichterstattung setzt ein. „Die Presse“ gehört zu den ersten Onlineportalen, die berichten: Ein Kollege, der zufällig wach ist, setzt um 4.50 Uhr die erste Meldung ab. Um 5.25 Uhr kondoliert ÖVP-Chef Josef Pröll als erster Politiker, viele andere folgen. Landeshauptmannstellvertreter Gerhard Dörfler sagt im ORF-„Morgenjournal“, in Kärnten sei „die Sonne vom Himmel gefallen“ und seien „die Uhren stehen geblieben“.
10.00 Uhr. In einer denkwürdigen Pressekonferenz kämpft Haiders Sprecher, Stefan Petzner, mit den Tränen. Dörfler verkündet Landestrauer: Alle Veranstaltungen des Landes werden abgesagt, die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Dörfler und Petzner sollen Haider nachfolgen. Doch während Dörfler tatsächlich Landeshauptmann wird, die nachfolgende Landtagswahl gewinnt und fünf Jahre lang regiert, ist Petzner als Bundesparteichef bald wieder Geschichte: Josef Bucher übernimmt.
10.00 Uhr. Schon seit den frühen Morgenstunden werden hier Kerzen und Briefe abgelegt, jetzt stellen sich Menschen stundenlang für einen Eintrag ins Kondolenzbuch an. Später wird die Unfallstelle bei Lambichl zu einem Pilgerort für Haider-Verehrer. Viele Kärntner sind ehrlich erschüttert über den Tod des Landeshauptmanns.
12. Oktober. Erste Zweifel am Unfalltod des Landeshauptmanns werden laut. Viele wollen nicht wahrhaben, dass ihr Idol alkoholisiert in den Tod gefahren ist. Der FPÖ-Abgeordnete Karlheinz Klement vermutet einen Anschlag des israelischen Geheimdiensts Mossad, ein Verschwörungstheoretiker trägt in einem Buch Indizien gegen die offizielle Version zusammen. Auch Haiders Schwester, Ursula Haubner, äußert immer wieder Zweifel. Indes: Die Indizien bleiben rar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)