Erdogan nimmt Özil-Affäre zum Anlass für Rassismus-Kritik

Turkish President Erdogan Visits Cologne
Turkish President Erdogan Visits Cologne(c) Getty Images (Carsten Koall)
  • Drucken

Der Türkische Präsident zeigte sich in seine Rede zur Eröffnung der Kölner Zentralmoschee zufrieden mit dem Staatsbesuch in Deutschland. Kritik äußerte er an dem Umgang Deutschlands mit dem Fußballer Mesut Özil.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bei der Eröffnung der Ditib-Moschee in Köln für Integration geworben und Rassismus angeprangert. "Das was im Augenblick passiert, ist nicht schön", sagte Erdogan am Samstag mit Blick auf die Diskussion in Deutschland um Fotos der türkischstämmigen Fußballspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit ihm vor der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer.

"Mesut Özil, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, wurde aus der Gemeinschaft verstoßen, weil er ein Foto in England gemacht hat", sagte Erdogan. "Ich konnte es als ihr Präsident schwer ertragen, dass diese jungen Leute, die es bis in die Nationalmannschaft geschafft hatten, ausgestoßen wurden."

Erdogan begrüßte in diesem Zusammenhang, dass sich "ganz viele Unterstützer (...) an die Seite von Mesut gestellt haben". Denn solcher Rassismus müsse "ein Ende haben". Die Türkei habe sich immer für "gleichberechtigte Integration" eingesetzt, sagte Erdogan und verband dies mit einem Plädoyer für die doppelte Staatsbürgerschaft

Auslöser für die Affäre war ein Foto gewesen, auf dem sich Özil und der ebenfalls türkischstämmige Nationalspieler Gündogan im Mai in London zusammen mit Erdogan hatten ablichten lassen. Die Debatte um das Foto und der Umgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit der Affäre begleiteten den deutschen WM-Auftritt. Der Rücktritt Özils aus der Nationalelf und seine Vorwürfe lösten dann eine Rassismusdebatte aus. In einer mehrteiligen Erklärung hatte Özil am 22. Juli seinen Rücktritt als Spieler der deutschen Nationalmannschaft erklärt.

Erdogan: Gelungener Besuch

Trotz aller Differenzen hielt Erdogan aber seinen ersten Staatsbesuch in Deutschland für gelungen. "Es war ein erfolgreicher Besuch", sagte Erdogan. Die Reise habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe er "wichtige Themen ehrlich besprochen", unter anderem wirtschaftliche Investitionen und wie man "effektiv gegen Rassismus und Islamophobie ankämpfen" könne.

In seiner 38-minütigen, versöhnlichen Rede erwähnte Erdogan, dessen Staatsbesuch von allerlei Irritationen begleitet war, nicht einmal den Streit mit der Stadt Köln über die kurzfristige Absage einer Veranstaltung vor der Moschee. Dabei hätte Erdogan dort vor sehr viel mehr Menschen sprechen können. Die Stadt Köln hatte die Veranstaltung aber aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt. Erdogan konnte daher nur vor den geladenen Gästen sprechen. Teilnehmer aus der Delegation hatten vor seinem Auftritt gesagt, dass Erdogan nach dem Verbot sogar überlegt habe, den Moscheebesuch abzusagen.

Bürgermeisterin nahm nicht teil

Hochrangige deutsche Politiker nahmen an der Zeremonie nicht teil, auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte abgesagt. Dazu sagte Erdogan nur: "Es wäre viel schöner und eleganter gewesen, wenn sie dabei gewesen wären." Aber vielleicht klappe das ja in der Zukunft.

Der türkische Staatspräsident rief erneut zu einem entschlosseneren Kampf gegen die Gülen-Bewegung auf. Die türkische Führung macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich und hat Deutschland in der Vergangenheit schwer dafür kritisiert, dass Gülen-Anhänger in Deutschand Zuflucht gefunden hätten. Erdogan verzichtete aber darauf, Vorwürfe zu wiederholen, mit denen er am Freitagabend beim Staatsbankett in Berlin für Irritationen gesorgt hatte.

Bei dem Bankett hatte Erdogan Kritik von Bundespräsident Steinmeier an seiner Menschenrechtspolitik scharf zurückgewiesen und seinerseits angemerkt, dass in Deutschland seien "Hunderte, Tausende" Terroristen unterwegs. Am Samstag sagte er nur, die Anhänger der Gülen-Bewegung dürften nirgendwo Unterschlupf finden. Steinmeier nannte er "meinen Freund" und dankte ihm für die "liebenswürdige Einladung".

In Köln blieb die Lage bei der von starken Sicherheitsvorkehrungen begleiteten Erdogan-Visite der Polizei zufolge weitgehend friedlich. Die Polizei hatte in der Domstadt Beamte aus mehreren Bundesländern und der Bundespolizei zu einem der größten Einsätze seit Jahren zusammengezogen. Eine Kundgebung von Erdogan-Anhängern vor der Moschee hatte die Stadt Köln aus Sicherheitsgründen untersagt. Die Türkisch-Islamische Union (Ditib), die Erdogan zu der Eröffnung empfangen hatte, habe kein ausreichendes Sicherheitskonzept vorgelegt.

Weniger Demonstranten, viele Anhänger

Die beiden großen Protestkundgebungen gegen den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Samstag in Köln sind friedlich verlaufen. Die Versammlungen von Erdogan-Gegnern im rechtsrheinischen Köln-Deutz sowie in der nördlichen Innenstadt wurden am Nachmittag von den Veranstaltern für beendet erklärt, wie ein Polizeisprecher sagte.

Die Zahl der Teilnehmer blieb deutlich hinter den Erwartungen der Anmelder zurück. An der Demonstration eines Kölner Bündnisses unter dem Motto "Erdogan not welcome" an der Deutzer Werft nahmen lediglich gut 1000 Menschen teil - angemeldet waren 5000. Auch bei der Protestkundgebung der Alevitischen Gemeinde in Deutschland am Ebertplatz in der nördlichen Kölner Innenstadt lag die Teilnehmerzahl mit mehreren hundert Menschen deutlich unter den erwarteten 3000 Demonstranten.

Dagegen strömten zahlreiche Erdogan-Anhänger zur Zentralmoschee des Moscheeverbands Ditib in Köln-Ehrenfeld, bei deren Eröffnung Erdogan am Nachmittag eine Rede halten wollte. Groben Schätzungen zufolge bevölkerten bis zu 1500 nationaltürkisch Gesinnte die Straßen um die weiträumig abgesperrte Moschee. Die Stadt Köln hatte am Freitagabend eine zunächst geplante Außenveranstaltung mit bis zu 25.000 Menschen an der Moschee wegen Sicherheitsbedenken abgesagt.

Laschet pochte auf Menschenrechte

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hatte zuvor bei seinem Treffen mit Erdogan auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht. Er habe gegenüber Erdogan deutlich gemacht, dass Rechtsstaatlichkeit eine wichtige Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen zur Türkei sei, sagte der CDU-Politiker am Samstag am Flughafen Köln-Bonn. Diese traditionell sehr intensiven Beziehungen seien "überschattet von inneren Entwicklungen in der Türkei".

Seine Sorge betreffe vor allem Verhaftungswellen in der Türkei, sagte Laschet. Vor diesen seien auch deutsche Staatsbürger betroffen gewesen. Auch der Umgang mit der Presse- und Religionsfreiheit bereite ihm Sorge. Erdogan habe in dem Gespräch auf die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei verwiesen. "Ein Rechtsstaat, der die Menschenrechte wahrt und den Werten der Demokratie Rechnung trägt, ist im Interesse aller - auch der türkischen Regierung", sagte Laschet.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Erdogan erhob auf Staatsbankett Vorwurf der Terroristen-Unterstützung

Der türkische Präsident Recep Tayip Erdogan beklagt, dass die Bundesrepublik Personen aufnehme und nicht ausliefere, die in der Türkei als Terroristen verfolgt würden.
Recep Tayyip Erdoğan trifft bei seinem dreitägigen Staatsbesuch gleich zwei Mal Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der erste Auftritt verlief nicht friktionsfrei.
Außenpolitik

Türkei/Deutschland: Diese Eiszeit ist noch nicht vorbei

Recep Tayyip Erdoğan und Angela Merkel versuchten, ihre „tief greifenden Differenzen“ zu beseitigen. Wie heikel dieses Vorhaben ist, zeigte ein gemeinsamer Auftritt.
Außenpolitik

Journalist bei Erdogan-Pressekonferenz in Berlin abgeführt

"Ich habe nichts getan", rief der Mann, der eine Akkreditierung für die Pressekonferenz trug. Regierungssprecher Seibert verteidigte das Vorgehen.
Außenpolitik

Eklat um Erdogans Pressekonferenz in Deutschland

Erdogan drohte mit Absage seiner Teilnahme an der gemeinsamen Pressekonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel: Eigentlich wollte der im Exil lebende türkische Journalist Can Dündar daran teilnehmen.
Kommentare

Der superzimperliche Sultan

Der türkische Präsident Erdogan sorgte im Kanzleramt in Berlin beinahe für einen Eklat, doch der Grün-Politiker Cem Özdemir wollte dem Autokraten die Bühne nicht alleine überlassen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.