Mazedonien: Entscheidung über Zukunft in der EU

Premier Zoran Zaev setzte sich massiv für ein Ja zu dem Kompromissvorschlag im Namensstreit ein.
Premier Zoran Zaev setzte sich massiv für ein Ja zu dem Kompromissvorschlag im Namensstreit ein. (c) APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Die Einwohner des Balkanstaats stimmten über einen Kompromiss im Namensstreit mit Athen ab.

Belgrad/Skopje. Bis zuletzt herrschte am Sonntag in Skopje Hochspannung: Denn es war lang unklar, ob das Referendum über einen neuen Namen für den Balkanstaat Mazedonien die nötige Wahlbeteiligung erreicht und damit gültig ist. Vom Ausgang der Abstimmung hing aber ab, ob Mazedonien weitere Schritte in Richtung EU und Nato machen kann. Griechenland hat sich bisher dagegen gesträubt. Denn Athen will den Namen Mazedonien für den Balkanstaat nicht akzeptieren. Als Kompromissvorschlag für das Referendum lag nun der Name Republik Nord-Mazedonien vor.

Der sozialdemokratische Premier, Zoran Zaev, rief die Mazedonier dazu auf, eine „weise Entscheidung“ zu treffen und für den Namenskompromiss zu stimmen, der dem Land den bisher von Athen blockierten Weg in die EU und Nato ebnen soll. Oppositionschef Hristijan Mickoski von der nationalpopulistischen VMRO-DMPNE forderte von seinen Landsleuten hingegen, auf „ihre Herzen zu hören“. Ob sie den Urnengang boykottieren oder gegen den Namensdeal stimmen sollten, lässt er offen.

Richtungskämpfe in der Opposition

Ein klarer Sieg der Befürworter galt bei dem Urnengang ursprünglich als ausgemacht. Unsicher war jedoch, ob die für die Gültigkeit nötige Wahlbeteiligung von 50 Prozent zustande kommt. Einerseits erfordert die aufgepumpte Wahlliste mit offiziell über 1,8 Millionen Wahlberechtigten bei einer geschätzten Bevölkerungszahl von nur noch 1,5 Millionen Menschen zum Erreichen des Quorums eine tatsächliche Wahlbeteiligung von 65 bis 70 Prozent. Andererseits versuchte sich die von Richtungskämpfen gebeutelte Opposition in einem „stillen“ Boykott. Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission hatten bis 15 Uhr landesweit nur 22,5Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.

Unter starkem Druck ihrer Schwesterparteien im Westen hatte die VMRO zwar von einem offiziellen Boykottaufruf abgesehen. Doch hoffen oder insgeheim hofften viele ihrer Parteikader, dass das Abkommen mit Athen doch noch an einer zu niedrigen Wahlbeteiligung scheitern könnte. So haben in über Facebook verbreiteten Erklärungen 25 von 42 VMRO-Abgeordneten beteuert, „niemals“ einer Verfassungsänderung zur Änderung des Staatsnamens zuzustimmen – egal, was das Ergebnis des Volksentscheids sein werde.

EU-Politiker drängten auf Kompromiss

Entscheidend werde für den Ausgang des Referendums sein, ob zumindest ein Teil der VMRO und ihres Anhangs für das Abkommen stimmen werde, sagte in Skopje der Analyst Sasa Ordanski. Doch unabhängig von dessen Ergebnis „arbeite“ die Regierung bereits an dem Zustandekommen einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, um mithilfe von VMRO-Dissidenten die für die Umbenennung nötige Verfassungsänderung verabschieden zu können: „Die Reformer sind in der VMRO zwar in der Minderheit, aber sie ist keine kleine mehr.“

Auch prominente westliche Staatsgäste wie Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich in den vergangenen Wochen im Stimmenstreit für die Absegnung des Namensdeals mit Athen engagiert. Der Westen erhofft sich vom Nato-Beitritt und der EU-Annäherung Mazedoniens eine Stabilisierung des labilen Vielvölkerstaats – und die Minderung des russischen Einflusses in der Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2018)

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