Warum Liberale die Erbschaftssteuer befürworten

„Erben ist keine Leistung“, sagt Erste Group-Chef Andreas Treichl.
„Erben ist keine Leistung“, sagt Erste Group-Chef Andreas Treichl.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Erste-Chef Treichl plädiert für Steuer auf Erbschaften. Eine durchaus liberale Idee.

Wien. Es war eine Aussage, für die Erste-Group-Chef Andreas Treichl sowohl viel Applaus als auch viel Kritik erhalten hat: Er sei für die Einführung einer Erbschaftssteuer, sagte der ehemalige Finanzreferent der ÖVP am Humanities Festival laut einem Bericht des „Standard“. „Ich bin ein Vertreter der Leistungsgesellschaft, und erben ist keine Leistung“, so Treichl weiter. Eine Besteuerung von sehr großen Erbschaften würde die soziale Mobilität erhöhen, weil „Kinder von sehr reichen Menschen dann auch arbeiten müssen“. Ausgenommen von der Steuer sollten lediglich Unternehmen und Bauernhöfe sein, weil sonst die wirtschaftliche Basis des Landes erodieren würde.

Vor allem auf der rechten Seite des politischen Spektrums dürfte Treichl mit diesen Aussagen angeeckt haben. Läuft die politische Bruchlinie in Österreich bei der Frage der Erbschaftssteuer ja seit jeher entlang des klassischen Links-Rechts-Schemas. So sind SPÖ, Liste Pilz und auch Grüne für die Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer. ÖVP, FPÖ und Neos lehnen sie vehement ab.

Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings, dass vermögensbezogene Steuern – zu denen die Erbschaftssteuer ja gehört – nicht nur in eher sozialistisch geprägten Ländern wie Frankreich, sondern auch in Staaten mit einer dezidiert marktliberalen Tradition wie den USA oder Großbritannien einen wichtigen Anteil am Steueraufkommen haben. Im Gegenzug sind in diesen Ländern die Abgaben auf Arbeitseinkommen wesentlich geringer als etwa in Österreich. Der Gedanke dahinter lautet: Es soll leichter sein, reich zu werden, und dafür etwas schwieriger, reich zu bleiben.

Geringer Anteil an Steuern

Letzteres ist in Österreich nämlich relativ einfach, wie die Statistik zeigt. So liegen die vermögensabhängigen Steuern laut Zahlen der OECD hierzulande bei 1,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Nur Tschechien, Estland und die Slowakei sind auf demselben oder unter dem Niveau von Österreich in dieser Frage. Der Schnitt über alle Industrieländer liegt indes bei 5,6 Prozent – Großbritannien und die USA erzielen sogar 12,7 beziehungsweise 10,8 Prozent ihrer gesamten staatlichen Abgaben aus vermögensabhängigen Steuern.

Dieses Bild wird zwar ein wenig zurechtgerückt, wenn die Steuerleistung im Verhältnis zum BIP gesetzt wird. Dann sinkt der Anteil der vermögensabhängigen Steuern in Österreich auf 0,6 Prozent. Aber auch der OECD-Schnitt geht deutlich zurück – auf 1,9 Prozent. Und auch in Großbritannien (4,1 Prozent) und den USA (2,8 Prozent) gibt es nun niedrigere Werte. Grund dafür ist, dass Österreich eine im internationalen Vergleich extrem hohe Belastung von Arbeitseinkommen hat, weshalb diese Steuern die Statistik hierzulande maßgeblicher beeinflussen.

Diese hohe Belastung der Arbeitseinkommen ist auch das wichtigste Hindernis bei Einführung einer Erbschaftssteuer nach liberaler Vorstellung – also der gleichzeitigen Lohnsteuerentlastung – in Österreich. So liegt das mögliche Aufkommen bei den vor der letzten Nationalratswahl diskutierten Modellen (25 bis 35 Prozent Steuer für Erbschaften ab einer Million Euro) laut Berechnungen bei rund 500 Mio. Euro. Werden Unternehmen von der Besteuerung ausgenommen, gilt das als der bestmögliche Maximalwert.

Das Aufkommen aus der Lohnsteuer beträgt pro Jahr jedoch rund 25 Milliarden Euro. Eine spürbare Entlastung wäre hier durch eine Erbschaftssteuer also wohl nur in einem sehr geringen Ausmaß möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2018)

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