Lucanos Dorf Riace galt als Symbol für gelungene Integration.
Rom. Er ist eine Galionsfigur aller, die sich für die Aufnahme und Integration von Einwanderern stark machen: Bürgermeister Mimmo Lucano hat sein Dorf Riace in Süditalien zur neuen Heimat für Flüchtlinge gemacht – und dadurch den vom Aussterben bedrohten Ort wiederbelebt. Wegen seines Engagements hatte das US-Magazin „Fortune“ den Bürgermeister auf die Liste der 50 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gesetzt.
Nun wurde Lucano festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Ihm und seiner Lebensgefährtin wird unter anderem vorgeworfen, Scheinehen zwischen Einwohnern Riaces und Migrantinnen organisiert zu haben, um Einwanderern eine legale Aufenthaltsgenehmigung zu ermöglichen. Lucanos Schwierigkeiten begannen im vergangenen Jahr, als die Polizei Unregelmäßigkeiten im Umgang mit öffentlichen Geldern für die Versorgung der in der Gemeinde untergebrachten Migranten feststellte.
Lucano war der ausländerfeindlichen Lega und vor allem seinem Chef, Innenminister Matteo Salvini, stets ein Dorn im Auge gewesen. Sie beschuldigten ihn, illegale Migration zu begünstigen. Salvini triumphierte nach der gestrigen Festnahme: „Was sagen jetzt wohl die Gutmenschen dazu?“
Tatsächlich hat Lucano sein kleines Dorf in Kalabrien zur „Heimat der Flüchtlinge“ erklärt. Die Gemeinde stellt Migranten jene Häuser zur Verfügung, die wegen der massiven Abwanderung in Richtung Norditalien seit Jahrzehnten leer stehen. Der seit 2004 amtierende Bürgermeister hat in Riace auch das lokale Handwerk sowie die Landwirtschaft wiederbeleben lassen – diese Berufe werden jetzt von Migranten ausgeübt.
Für die Opposition steht nach der Festnahme nicht nur Lucano am Pranger: Die Regierung wolle ein Exempel statuieren, und „alle Personen, die sich für Migranten einsetzen, kriminalisieren.“ (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2018)