So wird es eher nichts mit dem gewünschten E-Auto-Boom

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Mit dem „Stromer“ durch den „Lufthunderter“ rasen und Busse blockieren: Kann es sein, dass die Regierung das Konzept E-Mobilität nicht versteht?

LDie Regierung will jetzt also den mehr als schleppenden Markteintritt der Elektroautos beschleunigen und hat sich dafür (neben der bestehenden Kaufprämie) ein paar Goodies ausgedacht: Gratisparken in Städten, Benutzung der Busspuren, 130 statt 100 km/h im „Lufthunderter“ auf der Autobahn. Ganz lieb und sehr lobenswert: Wir alle wollen, dass die Belastung durch Verkehrsemissionen sinkt. Und dafür soll E-Mobilität eben einen entscheidenden Beitrag leisten.

Aber werden die gestern von den Ministern Hofer und Köstinger verkündeten Maßnahmen den Absatz von E-Autos, die derzeit ja fast ausschließlich von Behörden und Unternehmen verwendet werden, entscheidend ankurbeln? Eher nicht. Sie zeigen höchstens, dass die Regierung kein brauchbares Mobilitätskonzept hat und dass die beteiligten Ministerien E-Mobilität nicht wirklich verstehen.

Die Verkehrsbelastung der Innenstädte beispielsweise kann man nur abmildern, indem man den Individualverkehr ganz unabhängig von der Antriebsart einbremst beziehungsweise den öffentlichen Verkehr bevorzugt. Die Öffnung der Busspuren für E-Autos ist das exakte Gegenteil davon. In Norwegen, wo man das schon ausprobiert hat, geht man davon gerade wieder ab: E-Mobile dürfen die Busspur in Oslo nur noch benutzen, wenn mehr als eine Person im Auto sitzt. Aus gutem Grund: E-Autos haben die Busspuren in zu großem Ausmaß blockiert.

Und wer schon einmal einen 600-PS-Tesla überholt hat, der auf der Autobahn mit 90 km/h im Windschatten eines Lkw cruist, um Reichweite zu gewinnen, der kann über die Aufhebung des „Lufthunderters“ für Stromer nur noch meckernd lachen. Ein Tesla 100 D etwa verschenkt laut Werksangaben 123 Kilometer Reichweite, wenn er statt mit 100 mit 120 unterwegs ist. Für 130 gibt Tesla gar keine Reichweitenverkürzung mehr an. Das ist wohl nur ein Tempo für Fahrer, die Ladesäulen lieben. Nicht umsonst nennt Tesla den Fahrmodus, der die 600 PS wirklich aus dem Käfig lässt, Insane Mode.

Anders gesagt: Elektromobilität verlangt ein völlig anderes Fahrverhalten. Dass E-Autos in Norwegen (im Gegensatz zum Rest Europas) zum Verkaufsrenner wurden, hat nicht nur mit umfangreichen steuerlichen Goodies zu tun, sondern auch mit dem Fahrverhalten: Man fährt eher kurze Strecken mit dem Auto, und die erlaubte Geschwindigkeit ist mit 80 km/h auf Landstraßen und 100 km/auf Autobahnen strikt begrenzt.

Hier mit einer Erhöhung des Tempolimits punkten zu wollen ist wirklich Wirtshauspolitik nach dem Motto „Is' a Hetz und kost' net viel“. Würde man wirklich E-Mobilität pushen wollen, dann würde man beispielsweise intensiv Geld für den Ausbau der Ladeinfrastruktur bereitstellen, statt solches für sinnlose, weil von Privaten nicht ausgenutzte 4000-Euro-Kaufzuschüsse zu verplempern. Man würde die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass die Einrichtung von Lademöglichkeiten in Garagen von privaten Mehrparteienwohnhäusern erleichtert wird. Und so weiter und so fort.

Und man würde natürlich die Industrie „motivieren“, endlich für ein vernünftiges Angebot zu sorgen. E-Mobilität wird sich nämlich, ganz unabhängig davon, wie schnell man bei Smog auf der Autobahn fahren darf, nur durchsetzen, wenn es vernünftige Angebote für den Massenmarkt gibt. Solche alltagstauglichen Fahrzeuge (und unter Alltagstauglichkeit versteht man nicht nur leistbare Preise, sondern auch, dass man gelegentlich im Winter Strecken von mehr als 150 Kilometern am Stück zurücklegen kann) sucht man derzeit vergeblich. Vor allem in Deutschland, wo die Premiumhersteller zuerst den Trend verschlafen haben und jetzt zum echten Einstieg Elektropanzer der SUV-Klasse mit Preisen von 80.000 Euro aufwärts ankündigen.

Man sieht: Der Elektromobilität gehört möglicherweise die Zukunft, aber wir sind von echter Alltagstauglichkeit wohl noch Lichtjahre entfernt. Den Weg dahin abzukürzen wird mehr erfordern, als ein paar kosmetische Maßnahmen zu setzen und das dann als große Umweltoffensive zu verkaufen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2018)

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