U-Ausschuss: Ein „unüblicher“ Fall, wenn nicht ein „Skandal“

Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek musste am Mittwoch vor dem BVT-U-Ausschuss aussagen.
Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek musste am Mittwoch vor dem BVT-U-Ausschuss aussagen.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Mögliche Zeugenabsprachen waren ebenso Thema wie eine Neuaufstellung der WKStA. Justiz-Generalsekretär Pilnacek war mit dem Vorgehen im Fall sichtlich unzufrieden.

Wien. Unüblich. Ein Wort, das die Befragten in der BVT-U-Ausschuss-Befragungsrunde am Mittwoch auffällig häufig benutzten. Ein unüblicher Fall, in dem unüblich vorgegangen wurde. In dem schlussendlich vieles alles andere als „normal“ ist – und einiges schon mehr als grenzwertig.

Prominente Zeugen der Justiz

Am Mittwoch waren hochrangige Mitglieder der Justiz geladen. Am Vormittag wurde Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, befragt. Die graue Eminenz des Ministeriums wurde nach der (mittlerweile für unzulässig erklärten) Hausdurchsuchung mit einer unangenehmen Aufgabe betraut: das Chaos zu ordnen und zu kommunizieren. Nach Pilnacek wurde die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ilse-Maria Vrabl-Sanda, in den Zeugenstand gerufen. Der letzte an diesem Tag war Robert Jirovsky. Der Abteilungsleiter des Justizministeriums schrieb den von Justizminister Josef Moser (ÖVP) in Auftrag gegebenen Evaluierungsbericht zur Razzia.

Der unglückliche Generalsekretär

„Wer mich kennt, weiß, dass ich ein emotionaler Mensch bin“, sagte Pilnacek als Rechtfertigung dafür, dass er die Vorgänge rund um die BVT-Razzia bei einer Dienstbesprechung Anfang März als „Skandal“ bezeichnete. Pilnacek war von der Razzia im Vorhinein nicht informiert worden. Emotional war Pilnacek auch bei seiner Vernehmung. Das verrieten seine rote Gesichtsfarbe und das Pulsieren seiner Halsschlagadern, das bei manchen gestellten Fragen zutage trat. In der Wortwahl blieb er zwar gemäßigt, gab aber deutlich zu verstehen, dass er mit manchem (auch in der WKStA) wohl gar nicht einverstanden war.

Etwa damit, dass der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, direkt Kontakt mit der führenden Staatsanwältin, Ursula Schmudermayer, aufgenommen hatte – und nicht mit ihm. Oder dass Mitarbeiter aus FPÖ-Innenminister Herbert Kickls Kabinett immer wieder versucht hatten, Kontakt zur WKStA aufzunehmen. Pilnacek unterband diesen Informationsaustausch im Laufe der vergangenen Monate.
Pilnacek sagte, dass er die Ermittlungen prinzipiell in Ordnung finde – es müsse abgeklärt werden, ob an den Vorwürfen gegen einzelne Personen etwas dran sei. „Ich bin aber nicht glücklich, dass das ganze Amt den Ermittlungen ausgesetzt ist“, sagte er.

Unkontrollierte Behörde

Der U-Ausschuss zeigte am Mittwoch auch eines recht deutlich: Die Konstruktion der WKStA ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits braucht die WKStA Unabhängigkeit, um gegen Korruption ermitteln zu können. Diese hat sie, nicht einmal das Justizministerium ist weisungsbefugt. Das ist auch der Grund, warum das Ministerium über die Vorgänge immer wieder nur rudimentär informiert wird. Andererseits kann genau diese fehlende Kontrolle zu Problemen, Fehleinschätzungen und -entscheidungen führen. Etwa, wenn der falschen Seite vertraut und der richtigen misstraut wird – ein irreführender Cocktail.

Das war in der BVT-Causa der Fall. Die WKStA klammerte alle Stellen der Justiz ebenso aus wie sonst vertraute Kooperationspartner in der Exekutive – überall roch man eine mögliche Manipulation. Auf der anderen Seite schenkte man vier fragwürdigen Zeugen fast blindes Vertrauen. Und das, obwohl diese von Kickls Büro vermittelt worden waren – und deren Befragungen nicht einmal zur Gänze unter Wahrheitspflicht stattfanden.

Ein Beispiel: H. ist einer dieser Zeugen. H. arbeitete beim BVT in der IT-Abteilung und gab an, dass es möglich sei, Daten des BVT per Fernlöschung zu entfernen. Diese Angaben wurden zu einem Hauptargument für die Hausdurchsuchung.

Die Staatsanwaltschaft glaubte, dass es möglich sei, per Knopfdruck Terabytes an Daten zu löschen. Auch die Leiterin der WKStA, Vrabl-Sanda, gab am Mittwoch an, dass sie der Meinung gewesen sei, dass so etwas mit einer App möglich sein könnte. Ist es nicht. Das hätte die WKStA wissen können, wenn sie weiters eine nur halbwegs qualifizierte fachkundige Meinung eingeholt hätte. Stattdessen glaubte man einem Mann, der nicht unter Wahrheitspflicht ausgesagt hatte – und der offenbar nicht einmal wusste, wo sich sein Arbeitsplatz befand. Er gab an, dieser sei im Erdgeschoß – tatsächlich saß er im ersten Stock.

Die gebrieften Zeugen

Ausführlich diskutiert wurde auch, inwiefern die Zeugen von Kickls Kabinett beeinflusst worden sein könnten, ob die WKStA diese Überlegung ebenfalls tätigte – und ob es zu Zeugenabsprachen gekommen sein könnte. Mit den vier Hauptbelastungszeugen hatte es nämlich Vorbesprechungen mit Kickls Kabinett gegeben, bevor sie eine Aussage bei der WKStA machten. Kickl hatte in einer dringlichen Anfrage angegeben, die WKStA am 20. Februar davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Davon wusste die Chefin der WKStA allerdings ebenso wenig wie die führende Staatsanwältin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2018)

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