Experten: Vor Haider "gab es keine wirkliche Opposition"

Jörg Haider und Heinz-Christian Strache am 28. September 2008 in Wien.
Jörg Haider und Heinz-Christian Strache am 28. September 2008 in Wien.APA/Red.
  • Drucken

In der medialen Inszenierung sei der einstige Kärntner Landeschef SPÖ und ÖVP "um Jahre voraus gewesen", befinden Meinungsforscher. Er habe sich die Theatralik von den USA abgeschaut und Rechts- und Linkspopulismus miteinander kombiniert.

Jörg Haider hat nach Meinung von Politologen und Meinungsforschern die Art der politischen Kommunikation im Land stark verändert. Der vor zehn Jahren verstorbene Ex-FPÖ-Chef und BZÖ-Gründer habe die Professionalisierung in diesem Bereich nach Österreich gebracht, sagte Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Gescheitert sei er schlussendlich am Wechsel in die Regierungsrolle.

Haider, der vor zehn Jahren, am 11. Oktober 2008, als amtierender Kärntner Landeshauptmann mit seinem Auto in den Tod gerast war, habe erkannt, dass emotionale Elemente und das Suchen von Konflikten wichtige Hilfsmittel von öffentlichkeitswirksamer Kommunikation waren, meint auch Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM). "Sicherlich hat Haider (...) - beginnend vor 30 Jahren - den politischen Diskurs in hohen Maße bestimmt und im wesentlichen die kritische Distanz der Wählerschaft zum politischen traditionellen Parteiensystem de facto begründet. Vorher gab es keine wirkliche Opposition", sagte Bachmayer.

Die USA als Vorbild

Filzmaier verwies auf den hohen Professionalisierungsgrad, den Haider kommunikationstechnisch in die heimische Innenpolitik gebracht habe. Zunächst habe er die enttäuschten Wähler aus dem bürgerlichen Lager ansprechen können, später auch die Angestellten mit kleinerem Einkommen wie auch die Arbeiterschicht, bei denen zuvor alleine die SPÖ den Vertretungsanspruch gehabt habe.

>>> Dieter Böhmdorfer: „In der emotionalen Phase war Haider unsteuerbar“ [premium]

Zudem hob Filzmaier die aus US-Wahlkämpfen übernommenen Strategien Haiders hervor, wie die großen Inszenierungen mit pompöser Musik-Unterstützung (z.B. mit "The Final Countdown") beim Einzug in Veranstaltungshallen. Auch das berühmte "Taferl", das in Konfrontationen oder Fernsehauftritten immer wieder hochgehalten wurde, sei nicht Haiders Erfindung gewesen, sondern habe er aus den USA übernommen. In der strategischen Planung und der medialen Inszenierung sei Haider sowohl SPÖ wie auch ÖVP "um Jahre voraus gewesen".

>>> Spurensuche in Kärnten: „Wir sind jetzt ein ganz normales Bundesland“ [premium]

Zudem habe Haider Rechts- und Linkspopulismus miteinander kombiniert, wenngleich er natürlich seine Wurzeln im Rechtspopulismus gehabt habe. Bei sozialen Themen bespielte er die linkspopulistische Klaviatur, "natürlich nur für die 'eigenen Leute'", wie der Politologe anmerkt. Bei Zuwanderer- und Sicherheitsfragen aber befand sich Haider klar im rechtspopulistischen Spektrum. Und er habe auch seine Wurzeln (Haiders Eltern waren NSDAP-Anhänger) bedient, meinte Filzmaier. Diese Taktik habe er aber gut variiert, als er merkte, dass er damit anstand.

"Kulturbruch" in der Zweiten Republik

Für den Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) hat Haider den Rechtspopulismus zwar nicht erfunden, dies habe schon Karl Lueger (der Zuwanderergruppen gegeneinander ausspielte und offen antisemitisch agitierte, Anm.) getan. Aber Haider habe für einen "Kulturbruch" in der Zweiten Republik gesorgt, indem er aus dem Korsett der "Kompromissdemokratie" - bestehend aus verschiedenen Säulen wie etwa den Sozialpartnern - ausgebrochen sei. "Das hat er aufgebrochen", so Hajek. Mit Haider habe es keine Kompromisse gegeben, zumindest bis zur Regierungsbeteiligung unter Schwarz-Blau I (ab dem Jahr 2000) nicht, so der Meinungsforscher. "Er hat dieses ganz spezielle sozialpartnerschaftliche Proporzsystem angegriffen", weil er gemerkt habe, dass dieses System "nicht mehr nur Befürworter hat".

Gescheitert sei Haider letztlich strategisch am Wechsel in die Regierungsrolle, so Filzmaier. "Und natürlich auch daran, dass die Populismen an Grenzen stoßen", das Land Kärnten sei irgendwann pleite gewesen. Hier zeige sich auch ein deutlicher Unterschied zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Während Haider an der Regierungsbeteiligung gescheitert ist, habe Strache das erste Jahr in der türkis-blauen Koalition "ganz gut überstanden".

Zur Person

Jörg Haider wurde 1950 in Goisern (Oberösterreich) geboren. Seine politische Karriere begann er 1971 bei der FPÖ-Jugend, 1986 wurde er mithilfe des deutschnationalen Flügels zum Parteichef gewählt. Die SPÖ kündigte daraufhin die Regierungskoalition auf. 1989 wurde Haider Landeshauptmann in Kärnten, musste aber nach Lob für die NS-Beschäftigungspolitik zurücktreten. 1999 wurde er erneut Landeshauptmann, im Oktober 2008 verunglückte er tödlich.

(APA/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Auf den Stehern bei der Gedenkstätte in Lambichl sind laminierte Fotos von Jörg Haider zu sehen – und Verschwörungstheorien zu seinem Unfall zu lesen.
premium

„Wir sind jetzt ein ganz normales Bundesland“

Die Kärntner haben Jörg Haider geradezu kultisch verehrt, nur in diesem Bundesland konnte so ein Politiker reüssieren. Was denkt man heute über den einstigen Landeshauptmann? Eine Spurensuche.
premium

Freiheitliche Partei: Was blieb von Jörg Haider?

Vor zehn Jahren verunglückte jener Mann, der die FPÖ groß gemacht und dann verlassen hatte. Die Partei ist heute eine andere.
Jörg Haider fehle. Aber Heinz-Christian Strache sei heute schon erfolgreicher, meint Dieter Böhmdorfer.
premium

Dieter Böhmdorfer: „In der emotionalen Phase war er unsteuerbar“

Dieter Böhmdorfer, einst Justizminister unter Schwarz-Blau, spricht über Jörg Haiders Stärken und Schwächen.
LH JOERG HAIDER BEI VERKEHRSUNFALL UMS LEBEN GEKOMMEN
Innenpolitik

Haiders Tod: Der Tag, an dem die Sonne vom Himmel fiel

Was an jenem 11. Oktober in Kärnten passierte. Von Mythen, Verschwörungstheorien und einem Bundesland in Trauer.
Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
Innenpolitik

10. Haider-Todestag: Strache bekommt "Jörg Haider Medaille"

Die Medaille wurde 2010 vom ehemaligen BZÖ-Obmann Gerald Grosz gestiftet und steht unter der besonderen Patronanz von Haiders Witwe Claudia.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.