"Frontalangriff": NGOs befürchten höhere Hürden für UVP-Beteiligung

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Im Umweltausschuss wurde eine Novelle zu den Umweltverträglichkeitsprüfungen eingebracht. Demnach müssen NGOs in Zukunft über 100 Mitglieder haben, um angehört zu werden.

Die Bundesregierung plant offenbar, die Hürden für die Beteiligung von NGOs an Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) zu erhöhen. Im Umweltausschuss wurde heute eine Novelle eingebracht, in der Umweltschutzorganisatoren zumindest über 100 Mitglieder verfügen müssen, um berücksichtigt zu werden. Der Abänderungsantrag ist am Abend mit den Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und FPÖ angenommen worden. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen, wie Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste Pilz, danach der APA mitteilte

Seitens der NGOs gab es harsche Kritik. Die ÖVP sprach hingegen von einem "schwedischen Modell". Mit dem zu beschließenden "Umweltpaket" soll die vor mehr als 20 Jahren unterzeichnete Aarhus-Konvention in heimisches Recht umgesetzt werden.

Die Konvention und die UVP-Richtlinie garantieren Umweltschutzorganisationen dabei ein Mitspracherecht, wenn es um die Genehmigung von Großprojekten wie Mülldeponien, Schnellstraßen oder Industrieanlagen geht. Der Abänderungsantrag sieht folgendes vor: Damit eine NGO Parteienstellung in einem UVP-Verfahren erhält, muss der Verein aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen, ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsvereine umfassen. Weiters soll vorgeschrieben werden: "Dem Antrag ist eine Liste der Mitglieder des Vereins mit Name und Anschrift der Mitglieder anzufügen. Bei einem Verband ist eine Liste der Mitgliedsvereine anzufügen."

"Damit wäre wahrscheinlich der Großteil der anerkannten Umweltschutzorganisationen von Umweltverfahren ausgeschlossen", hieß es von mehreren NGOs.

ÖVP-Umweltsprecher: "Schwedisches Modell"

Der Umweltsprecher der ÖVP, Johannes Schmuckenschlager, wies die Kritik zurück. Mit der Änderung würde das schwedische Modell übernommen, das "sich bewährt" habe. Mit dem Gesetzesentwurf würden den NGOs sogar mehr nachträgliche Überprüfungsmöglichkeiten eingeräumt werden, "wie es auch die Aarhus-Konvention vorsieht". So könne beispielsweise eine NGO Bescheide eines UVP-Verfahrens beeinspruchen. "Transparente Verfahren bedingen aber auch eine Transparenz der Verfahrensteilnehmer", sagte der Abgeordnete.

Seitens der NGOs sah man dies freilich anders: Die geplante Einschränkungen würde für viele Organisationen das Aus bedeuten. "Es bleiben vielleicht noch 20 über, aber wir müssen das noch genau erheben", sagte Thomas Alge, Geschäftsführer von Ökobüro, der APA. Derzeit sind rund 60 Organisationen für die Teilnahme an UVPs zugelassen. Zudem verstoße die Offenlegung der Mitglieder "klar gegen die Datenschutzlinie".

WWF spricht von Frontalangriff auf Umweltschutz

Entsprechend scharf waren auch die Reaktionen. Der WWF Österreich sah einen "Frontalangriff auf den Umweltschutz". Kritische Stimmen sollen aus Verfahren ausgeschlossen werden, "um umweltschädliche Großprojekte schneller durchpeitschen zu können", sagte Hanna Simons, Leiterin der WWF-Natur- und Umweltschutzabteilung. Greenpeace forderte die Regierung auf, den "demokratiefeindlichen" Abänderungsantrag zum Umweltverträglichkeitsgesetz nicht einzubringen .Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000, sprach von einem "unfassbaren Frontalangriff".

Auch die Opposition reagierte scharf. SPÖ-Umweltsprecher Klaus Feichtinger sprach vom Versuch, "die zivilgesellschaftliche Beteiligung auszuschalten". "Was die Bundesregierung hier betreibt, ist nichts anderes als ein Angriff auf die Zivilgesellschaft und nicht hinnehmbar", meinte auch Neos-Umweltsprecher Michael Bernhard. Bruno Rossmann von der Liste Pilz sah einen "weiteren Schritt in Richtung Orbanisierung Österreichs".

(APA)

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