Derzeit gibt es in Wien 2000 E-Autos und 230 E-Ladestellen, die bis 2020 auf 1000 aufgestockt werden sollen. Seit 1. Oktober ist das Aufladen nicht mehr gratis.
Wien. Wien stellt sich weiter gegen die von der türkis-blauen Regierung geplanten Anreize für Elektroautos – Stichwort Busspuren und Geschwindigkeitsausnahmen beim sogenannten Lufthunderter („Die Presse“ hat berichtet): Die grüne Verkehrsstadträtin und Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, will alles tun, um E-Autos auf Busspuren zu verhindern. Sie forderte gestern, Donnerstag, im ORF-Radio von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ein „ordentliches Begutachtungsverfahren“, inklusive Einbindung von Experten. „Nicht jeder Vorschlag ist ein guter Vorschlag.“
Aktuell gibt es in der Hauptstadt freilich nicht allzu viele Elektroautos, die die Wiener Busspuren verstopfen könnten, wie anlässlich der Regierungspläne manche befürchten. Rund 2000 reine E-Autos sind in Wien laut Statistik Austria derzeit angemeldet, österreichweit gibt es rund 18.500 Autos. Bei den Neuanmeldungen von Elektroautos lag Wien im Vorjahr mit 869E-Autos und einem Prozent aller Anmeldungen im Länderranking hinten (siehe Grafik).

Jedoch hat sich in den vergangenen Monaten bei der Infrastruktur für die elektronischen Autos einiges getan. Quer durch die Stadt sind Ladesäulen mit orange markierten Parkplätzen aufgetaucht, an denen Autos aufgeladen werden können. An 115 Standorten in allen Bezirken wurden insgesamt 230 solche öffentlichen Ladestellen gebaut. Getankt wurde dort laut Wien Energie bis Ende September rund 18.000-mal. Zuletzt sei von Monat zu Monat um 20 Prozent öfter getankt worden – übrigens gratis.
Damit ist es seit dem 1. Oktober vorbei. Schrittweise werden im Lauf des Monats alle öffentlichen Ladestellen auf Bezahlung umgestellt. Eine Kilowattstunde kostet dann 20Cent plus tagsüber 1,60 Euro pro Parkstunde. Einmal volltanken – das reicht für 200 bis 400 Kilometer – sind zwischen 30 und 100 Kilowattstunden und dauert je nach Typ zwischen 20 Minuten und mehreren Stunden.
Die Zahl der E-Tankstellen will die Stadt in den kommenden zwei Jahren massiv ausbauen: Geplant sind bis 2020 wienweit 1000 Ladestellen – was bei derzeit gerade einmal doppelt so vielen E-Autos viel anmutet. „Langfristig gesehen ist es das keinesfalls“, heißt es dazu aber vom VCÖ. Das Ziel sei ja, die Zahl der Pkw mit Verbrennungsmotor zu reduzieren und die der E-Autos zu erhöhen.
„Das ist eine Henne-Ei-Frage“, sagt Mobilitätsforscher Philip Leopold vom AIT - Austrian Institute of Technology auf die Frage, ob 1000 Ladestellen nicht etwas viel seien. Immerhin haben die E-Tankstellen neben dem Aufladen noch eine andere Funktion: Sie sind ein Anreiz. Wem die vielen Ladestationen in der Stadt auffallen, der überlegt vielleicht eher, auf ein E-Auto umzusteigen. „85 Prozent der E-Autos werden derzeit privat oder als Firmenflotte geladen“, sagt Leopold. Im öffentlichen Bereich gäbe es noch Aufholbedarf.
2030 könnten es 80.000 E-Autos sein
Wie viele E-Autos es dereinst sein werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab – laut VCÖ zentral auch vom (derzeit hohen) Kaufpreis und vom politischen Druck für einen niedrigeren CO2-Grenzwert. Laut einer Studie, die die TU Wien 2017 im Auftrag von Wien Energie verfasst hat, könnten 2030 auf Wiens Straßen zwischen 30.000 und 80.000 E-Autos unterwegs sein – Letzteres, wenn es neben Kaufprämien auch noch zusätzliche Lademöglichkeiten entlang der Straße gebe. Auch Mobilitätsforscher Leopold nennt als wichtigsten Anreiz, um auf ein E-Auto umzusteigen, die Verfügbarkeit von Ladestationen, den Komfort (oder die Reichweite) sowie den Preis. Wie sehr sich das Fahren auf einer Busspur oder die Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auswirke, könne er nicht sagen. „Dafür ist Forschung da, das müsste man sich im Detail anschauen.“
Sollte der sogenannte Lufthunderter in Zukunft für E-Autos nicht mehr gelten, müsste man dafür aber das System der Radargeräte umstellen, damit bei der Auswertung erkannt wird, ob es sich um ein E-Auto handelt. Laut Innenministerium würde das eine voraussichtlich nicht allzu aufwendige Umstellung im IT-System nötig machen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2018)