Donald Trump will gar nicht der Präsident aller Amerikaner sein

Trump buhlt ausschließlich um Fans. Sie will der Spalter mit eingelösten Wahlversprechen bei Laune halten, und wenn dabei die Weltordnung untergeht.

Euphorische Wunschdenker träumen bereits von einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump nach den Kongresswahlen am 6. November. Sie freuen sich zu früh. Wer nach den krassen Fehlprognosen bei der US-Präsidentenwahl und dem Brexit-Referendum Umfragen für bare Münze nimmt, dem ist nicht zu helfen. Glaskugelgucker und Vogelschauer waren oft näher an den Ergebnissen dran als Meinungsforscher.

Und selbst wenn die oppositionellen US-Demokraten, wie von Demoskopen einhellig prophezeit, das Repräsentantenhaus erobern sollten, ist noch lang nicht gesagt, dass sie Präsident Trump stürzen können. Denn dafür brauchten sie eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Die zweite Kammer des Kongresses bleibt aber womöglich gar in republikanischer Hand. Denn von den 35 Sitzen im Senat, die neu zu vergeben sind, halten die Demokraten schon jetzt 26. Das Pendel wird wohl, wie meist bei Zwischenwahlen, auch heuer wieder zurückschlagen. Doch ein blauer Tsunami, der Trump wegspülen könnte, deutet sich nicht an, auch wenn das, vor allem außerhalb der USA, noch so viele herbeisehnen.

Europa und Amerikas Liberale mögen dauerentrüstet über die Tabubrüche des verhaltensauffälligen Egomanen im Weißen Haus sein. Doch Stil und Anstand sind nicht die einzigen Kriterien, nach denen die Amerikaner das Wirken ihres Staatsoberhaupts bewerten. Am Ende gibt die Wirtschaftslage den Ausschlag. Und da machen die USA nach zwei Jahren Trump einen bärenstarken Eindruck. Mehr als vier Prozent Wirtschaftswachstum können nicht einmal die größten Kritiker des US-Präsidenten wegleugnen. Dementsprechend stabil sind seine Zustimmungsraten. Sie ranken sich um die 40-Prozent-Linie. Die meisten Vorgänger waren zu diesem Zeitpunkt ihrer Amtszeit beliebter. Doch Trumps Popularitätswerte hatten von Anfang an einen niedrigen Plafond.

Das liegt an der Politiktechnik des Milliardärs: Trumps Elixier ist die Polarisierung. Um zu mobilisieren, spaltet er. Das tägliche Stakkato an Skandalen prallt an ihm ab und hilft ihm sogar, sein Freund-Feind-Schema zu schärfen. Trump will gar nicht der Präsident aller Amerikaner sein, sondern ausschließlich seiner Anhänger. Auf sie zielt er ab, sie sollen ihm eine zweite Amtszeit sichern, sie will er bei Laune halten. Der Einhaltung von Wahlversprechen, so absurd und destruktiv sie sein mögen, kommt bei einem solch engen Zielgruppenkonzept eine besondere Bedeutung zu. Und Trump hat geliefert: Er ist, wie angekündigt, krachend aus dem Klimavertrag, dem UN-Menschenrechtsrat und dem Iran-Abkommen ausgestiegen. Dass die Welt kopfstand, war ihm nur recht. Das brachte Aufmerksamkeit.

Nach zwei Jahren ist die Methode in Trumps Wahnwitz deutlich zu erkennen. Der US-Präsident legt Brände, um sie mit großer Geste selbst löschen zu können. Er gibt den Großmeister bei der Lösung unsinniger Probleme, die er selbst geschaffen hat. Sein Werkzeug ist der Vorschlaghammer: Damit zertrümmerte er das Nafta-Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada, um danach mühsam eine neue Vereinbarung zu schließen, die nicht viel anders aussieht. Eine Vergeudung von Ressourcen. Doch ein Wahlversprechen war damit noch vor der Kongresswahl eingelöst.

Das ist die Methode Trump: Viel Lärm und dann fast nichts. Globale Kollateralschäden nimmt er in Kauf. Der Präsident jener Supermacht, die einst die liberale Weltordnung geschaffen und gehütet hat, schwingt im Stil eines Populisten vom rechten Rand die nationalistische Abrissbirne. Die Folgen sind unabsehbar. Es läuft ein riskantes Experiment in Echtzeit: Wie lang hält das westlich geprägte internationale System einen US-Präsidenten wie Trump aus?

Doch darüber stimmen die Amerikaner bei ihrer Zwischenwahl nicht ab. Ihnen geht es um die Wirtschaft, vielleicht noch um Trump, vor allem aber um die Glaubwürdigkeit ihrer lokalen Kongresskandidaten. Gewinnen die US-Demokraten, ist Trumps Handlungsspielraum eingeschränkt. Er wird sich dann umso energischer ins außenpolitische Getümmel werfen. Für den Rest der Welt heißt das: angeschnallt bleiben.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Notenbank-Gouverneur Yi Gang wies am Sonntag am Rande der Jahreskonferenz des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf Bali gleichwohl darauf hin, dass es angesichts des Zollkonflikts erhebliche Risiken für die Konjunktur gebe.
Economist

Handelsstreit: China hat geldpolitischen Spielraum

Notenbank lockert Bankenregeln und senkt Zinsen, um Wirtschaft zu stützen.
Außenpolitik

China bereitet US-Außenminister Pompeo kühlen Empfang

Amtskollege Wang Yi warnt Mike Pompeo vor einem "falschen Ansatz des Konflikts und der Konfrontation". Washington hatte seinen Ton gegenüber China in den vergangenen Wochen verschärft.
Die USA sind einen Monat vor der Wahl voll im Midterm-Fieber.
Außenpolitik

Politologin über Midterm-Wahlen: "Diesmal geht es um Trump"

US-Politologin Meena Bose erklärt, warum bei den US-Kongresswahlen im November die Wirtschaft Hauptthema sein wird, aber ebenso der polarisierende Präsident. Und warum sich keiner traut, Prognosen zu stellen.
Donald Trump.
Außenpolitik

Was für Trump auf dem Spiel steht

Präsident und Republikaner bereiten sich intensiv auf die Kongresswahlen in einem Monat vor. Die Abstimmung ist der erste wichtige Test für Trump. Sie wird seine Präsidentschaft nachhaltig beeinflussen.
Senator Bill Nelson und Floridas Governeur Rick Scott.
Außenpolitik

Der strategische Kampf um die Schlüsselstaaten

In manchen Bundesstaaten und Wahlbezirken geht es um fast nichts, andere sind heiß umworben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.