Wie Markus Söder seinen Absturz abfedern will

Wahlkämpfen bis zum Abwinken, um die Absolute zu retten: Markus Söder mit seiner Frau, Karin Baumüller-Söder.
Wahlkämpfen bis zum Abwinken, um die Absolute zu retten: Markus Söder mit seiner Frau, Karin Baumüller-Söder.(c) imago/Future Image (Petra Schönberger)
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Je näher der Wahltag rückt, desto tiefer sinken die Werte der CSU. Eine Woche noch hat Markus Söder, um das zu ändern. Zunächst versuchte es der Ministerpräsident mit Besonnenheit und Ruhe. Nun hat er eine neue Taktik: Panik.

Berlin. Mit Schaudern erinnern sich die Christsozialen in Bayern an ein dunkles Kapitel ihrer Parteigeschichte. An eine Ausnahmesituation, die sie am liebsten komplett verdrängen würden: 2008 verlor die CSU nach fünf Jahrzehnten Alleinherrschaft die absolute Mehrheit im Landtag. Die Partei musste etwas tun, was sie eigentlich nur aus anderen Bundesländern kannte, wofür sie die Union im Bund bemitleidete: eine Koalition eingehen. In diesem Fall mit der FDP.

Mit jeder Umfrage, die vor der kommenden Landtagswahl am 14. Oktober veröffentlicht wird, wird dieses Szenario wieder in das Bewusstsein der Bayern gerufen. Je näher der Wahlsonntag rückt, desto tiefer fallen die Beliebtheitswerte der CSU. In einer aktuellen Erhebung für die ARD liegt die Partei bei 33 Prozent. Im ZDF-„Politbarometer“ sind es zwei Prozentpunkte mehr, doch das ist nur ein schwacher Trost. Selbst 2008 waren es noch 43,4 Prozent, fünf Jahre später holte man sich mit 47,7 Prozent die Absolute zurück.

Berlin, der größte Feind

Für eine Person sind diese Aussichten besonders schmerzhaft: Markus Söder, seit März Ministerpräsident des süddeutschen Bundeslands. Er will seinem erbittertsten Feind beweisen, dass er Wahlsiege feiern kann. Und er möchte das Erbe seines größten Vorbilds weiterführen.

Der Feind sitzt in Berlin, an mehreren Stellen: Die Dauerkrise der Großen Koalition passt nicht ins Bild, das Söder von der staatstragenden CSU zeichnen möchte. Zunächst war laut Söder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schuld, die ihre Flüchtlingspolitik nicht nach den Vorstellungen der CSU ausrichten will. Als der erbitterte Streit einige seiner Wähler vertrieb, fand Söder ein neues, altes Feindbild: Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Dass sich die beiden nicht leider können, ist spätestens seit einer Weihnachtsfeier im Jahr 2012 offiziell: Seehofer warf dem damaligen Finanzminister „charakterliche Schwächen“ und einen exzessiven Ehrgeiz vor. Der Ehrgeiz konzentrierte sich in den vergangenen Jahren vor allem darauf, Seehofer als Ministerpräsidenten zu beerben. Und soll Söder die Absolute verlieren, die sein Vorgänger zurückerobert hatte? Das will der Landeschef verhindern.

Strauß, das größte Vorbild

Während die CSU Stimmen verliert, gewinnen sie einerseits die Grünen, aber auch die AfD. Zum ersten Mal tritt die Alternative für Deutschland in München an. Der bayrische Landtag ist (neben dem hessischen, der am 21. Oktober neu gewählt wird) der einzige, in dem die Partei nicht vertreten ist. Zumindest bisher, in Umfragen liegt sie bei zehn Prozent. Das Motto, das CSU-Legende Franz Josef Strauß ausgab, gilt also bald nicht mehr: Rechts von den Christsozialen soll eigentlich kein Platz sein.

Das wäre für jeden CSU-Ministerpräsidenten bitter, für Söder aber besonders. Strauß ist sein großes Vorbild. In Jugendzeiten hing ein Poster des CSU-Chefs in seinem Zimmer. Als er sein neues Büro bezog, nahm er als erstes eine Bibel mit – und eine Büste von Strauß.

Was will Söder also in der letzten Woche vor der Wahl tun, um den Fall seiner Partei abzufedern? Lang setzte er auf Beschwichtigung und betonte, dass man Umfragen heutzutage nicht vertrauen könne. Nun scheint er aber seine Taktik im letzten Moment geändert zu haben. Er nutzt die schlechten Umfragewerte für sich – und versucht regelrecht Panik zu verbreiten: Das Ergebnis eines bunten Parlaments könnte „eine völlig instabile Regierung sein“, sagt er der „Bild“. „Ich glaube, dass auch die bayerische Demokratie zu wackeln beginnt.“ Neben der AfD könnte auch die Linkspartei einziehen. Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume meinte: „Der Erfolgsweg Bayerns ist akut in Gefahr. Bayern droht zu kippen.“

Tatsächlich wäre laut aktuellen Umfragen eine Viererkoalition aus Grünen (18 Prozent), SPD, Freien Wählern (je elf Prozent) und der FDP (sechs Prozent) möglich. Allerdings nur in der Theorie – praktisch ist es ausgeschlossen, dass sich die Parteien auf eine Koalition einigen könnten. Vor allem, weil es in Bayern schnell gehen soll: Innerhalb von vier Wochen muss gesetzlich eine Regierung stehen. Wahrscheinlicher ist es also, dass sich Söder einen Koalitionspartner aussuchen muss.

Was den Ministerpräsidenten an diesem Gedanken möglicherweise tröstet: Sobald die CSU einen Schuldigen sucht, wird sie ihn – davon gehen die meisten in Bayern aus – wohl am ehesten in Berlin finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2018)

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