"Maßanzug und Krönchen": Christian Kern will kein Berufspolitiker mehr sein

Christian Kern verlässt die Politik.
Christian Kern verlässt die Politik.APA/HANS PUNZ
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Christian Kern sagt seine Spitzenkandidatur bei der EU-Wahl ab. Er habe bemerkt, dass die Diskussion mit ihm als Spitzenkandidat nicht auf die nötige Sachebene gelenkt werde könne. Für seine Zeit als Berufspolitiker sei er "dankbar", es zieht ihn wieder in die Wirtschaft.

Zweieinhalb Jahre sind es schließlich geworden, die Christian Kern in der Politik blieb - zehn hatte er angekündigt. Der bisherige SPÖ-Chef tritt bei der EU-Wahl am 26. Mai nun doch nicht als Spitzenkandidat seiner Partei an, erklärte er bei einer Pressekonferenz am frühen Samstagnachmittag. Er werde seine Karriere als "Berufspolitiker" beenden.

Kern betonte einmal mehr, die kommende Europawahl als "Schlacht der Schlachten um die Zukunft unseres Kontinents" zu sehen. Es gehe darum, eine Allianz von rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien zu verhindern. Die europapolitische Diskussion sei aber zu sehr überdeckt von der Diskussion um seine Person als Ex-Regierungschef. Er habe sich als Ziel gesetzt, eine ernsthafte politische Debatte den EU-Gegnern Salvini, Orbán und Co entgegenzustellen, habe aber festgestellt, dass das nicht möglich sei. "Als ehemaliger Regierungschef ist es nicht möglich, diese innenpolitische Bühne zu verlassen", man gebe der Diskussion nicht mehr Gewicht, sondern setze damit das "innenpolitische Klein-klein" fort, so Kern: "Nach all dieser Zeit ist mein Bedarf nach diesem innenpolitischen Spiel begrenzt."

Außerdem wolle er nicht den Neustart der Partei unter der neuen Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner überschatten. Seine Parteiführung habe er im Laufe der Woche über seinen Schritt informiert. Die Kandidatur hätte ihm "persönlich Freude gemacht", er habe sich aus genannten Gründen aber dann in einer "persönlichen Entscheidung" für einen Rückzug entschieden. Am 24. November wird er formal aus der Politik, aus allen Funktionen, ausscheiden.

Trotz der Querelen der vergangenen Wochen zeigte sich Kern bei seinem Abschied durchaus von seiner selbstbewussten Seite. Er zog noch einmal eine positive Bilanz seiner Amtszeit als Bundeskanzler (Stichwort: sinkende Arbeitslosigkeit) und Parteichef und wollte auch nicht gelten lassen, der Partei mit seinem überhasteten Abgang geschadet zu haben.

Als er die SPÖ übernommen habe, sei sie in den Umfragen unter 20 Prozent gelegen und sei intern eher für einen "psychotherapeutischen Großversuch" geeignet gewesen denn als politische Bewegung. Bei der (verlorenen, Anm.) Nationalratswahl habe die SPÖ dann entgegen dem europäischen Trend Stimmen gewonnen. Und, so Kern: "Ich denke auch, dass wir bei dieser Europawahl hervorragende Chancen haben, Nummer eins zu werden." Ausdrücklichen Dank gab es für seinen Vorgänger Werner Faymann (Stichwort Steuerreform) und auch an seinen ehemaligen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner schilderte Kern als seine Wunschnachfolgerin und meinte, die Übergabe sei gut gelaufen. Er habe eine "langfristige Personalplanung" verfolgt und sei glücklich und zufrieden, eine Nachfolgerin zu haben, die in der Lage sein werde, den erfolgreichen Weg fortzusetzen. Natürlich sei ihm klar gewesen, dass ihre Durchsetzung nicht friktionsfrei laufen werde. "Dass das mit Schrammen und Diskussionen einhergegangen ist, das ist zur Kenntnis zu nehmen, aber das Ergebnis steht eindeutig im Vordergrund", sagte Kern, der im übrigen auch interne Intrigen rund um seinen Abgang als Parteichef kritisierte.

Kern sei nun froh, seine Berufspolitiker-Karriere zu beenden. "Ich freue mich wirklich", wieder den Weg in die Unternehmenswelt zu gehen. Konkreter wurde Kern aber nicht, was seine berufliche Zukunft betrifft. "Ich sehe meine Zukunft im Unternehmertum", liebäugelte Kern auch mit einer Unternehmensgründung. An seinen Nachfolger als Bundeskanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), appellierte Kern, sich auf seinen inhaltlichen Kompass zu besinnen und nicht bloß auf Machterhalt zu setzen. 

Er wolle künftig auch nicht vom "Muppet-Balkon" seine Nachfolger kritisieren, als Privatperson werde er aber dennoch politisch engagiert bleiben. Er werde sich heute Abend jedenfalls ein "ordentliches Glas Rotwein" gönnen. Und, so Kern in Anspielung an wenig schmeichelhafte Prinzessinnen-Karikaturen: "Vielleicht mache ich mir die Freude und kaufe mir einen Maßanzug und ein Krönchen, damit ein paar Geschichten, die in den letzten Jahren verbreitet wurden, sich bewahrheiten."

Das Statement von Christian Kern zum Nachsehen:

Chaotischer Rücktritt auf Raten

Kern hatte am 18. September seinen Rücktritt als SPÖ-Chef angekündigt, nach einer mehrstündigen Schrecksekunde für die Partei aber angefügt, dass er bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat für die SPÖ antreten werde und darüber hinaus auch eine europaweite Spitzenkandidatur für die Sozialdemokraten anstrebe. Die SPÖ-Parteigremien hatten Kern darauf hin bereits als Spitzenkandidat abgesegnet. In einem Brief an seine Genossen Mitte September versicherte er noch, nun mit ganzer Energie und größter Leidenschaft dafür zu kämpfen, dass die SPÖ bei der kommenden Europawahl Erster und die Sozialdemokratie in Europa gestärkt werde: "Unsere sozialdemokratische Bewegung hat eine große Vergangenheit - und eine große Zukunft", so Kern. Er kandidierte gar als Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokraten auf EU-Ebene.

Das Präsidium der SPÖ trifft sich am Sonntag in Wien zu einer Klausurtagung. Eigentlich hätte am Wochenende der Parteitag mit der Wiederwahl von Christian Kern zum Vorsitzenden stattfinden sollen. Nach dessen Rücktritt von der Parteispitze wurde der Termin aber obsolet. Themen für die Sitzung am Wiener Hausberg Kahlenberg wollte Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner zuvor nicht nennen. Nun wird wohl auch die Suche nach einem Spitzenkandidaten für die EU-Wahl auf der Tagesordnung stehen.

Nachdem Rendi-Wagner in der vergangenen Woche die Führung der Partei übernommen hat, wurden SPÖ-intern aber Rufe lauter, die sich wegen des chaotischen Abgang Kerns gegen dessen Spitzenkandidatur aussprachen. Als möglicher neuer Spitzenkandidat wurde der bisherige Klubobmann Andreas Schieder gehandelt, der auch schon Interesse an einem Wechsel nach Brüssel bekundet hatte und von der Wiener SPÖ auf deren Kandidatenliste für die EU-Wahl gesetzt worden war. Er habe dort selbst schon als Regierungsmitglied im EU-Rat sowie im Ausschuss der Regionen mitgearbeitet und kenne die Institutionen, die SPÖ habe aber entschieden, wer Spitzenkandidat sein wird. "Ich sehe meinen Platz weiter hier im Hohen Haus", sagte er unmittelbar nachdem er seinen Job als geschäftsführender Fraktionschef im Parlament abgeben musste - Tage vor dem endgültigen Rückzug von Kern. Kern selbst wollte sich am Samstag zum möglichen EU-Kandidaten nicht äußern.

Als weitere mögliche Kandidatin gilt die derzeitige Delegationsleiterin der SPÖ im EU-Parlament, Evelyn Regner. Ihr Manko ist allerdings die geringe Bekanntheit hierzulande, fachlich gilt sie als unumstritten.

Sefcovic in SPE vorerst konkurrenzlos

Bei den europäischen Sozialdemokraten hatte bisher außer Kern nur Vize-EU-Kommissionspräsident Maros Sefcovic seine Kandidatur als europaweiter Spitzenkandidat angekündigt. Sefcovic will sich diese Unterstützung bereits in mehreren mittelosteuropäischen Ländern, die teilweise mit zwei Parteien in der SPE vertreten sind, gesichert haben.

Prognosen zufolge müssen die beiden großen Parteifamilien damit rechnen, bei der Europawahl erstmals gemeinsam nicht mehr auf eine absolute Mandatsmehrheit zu kommen. Damit steht auch das Spitzenkandidatensystem, das bei der Wahl 2014 den EU-Staats- und Regierungschefs aufgezwungen worden war, infrage. Weder die neue Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron noch die Liberalen, die voraussichtlich als Mehrheitsbeschaffer benötigt werden, wollen einen Automatismus in dieser Frage akzeptieren.

(APA/klepa)

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