„Wir haben uns alle lieb – das funktioniert nicht immer“

Wenn die ÖVP über Integration diskutiert, geht es um das Einfordern von Werten und Sprache. Auch via Mindestsicherung.

Wann ist jemand integriert? Bei dieser Frage kehrte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) den Philosophen heraus: Während die Sprache, auch als Grundvoraussetzung für viele andere Aspekte, recht gut messbar sei, werde es bei der Frage nach den Werten und Grundeinstellungen schwieriger. Woraufhin der Minister das Böckenförde-Diktum zitierte (der liberale Rechtsstaat ist angewiesen auf Grundvoraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann), das Prinzip der Selbstwiderspruchsfreiheit (wer unsere Freiheiten in Anspruch nimmt, muss diese auch Frauen zugestehen) und zuletzt auch noch den kategorischen Imperativ.

Freilich sprach Blümel bei einer Veranstaltung der ÖVP-Städteplattform nicht als Philosoph, sondern als Präsident der Plattform, die sich am Freitag der Integration widmete. Genereller Tenor, wenig überraschend: Mit den Maßnahmen der türkis-blauen Regierung sei man nun endlich auf dem richtigen Weg in puncto Integration. Und: Freiwilligkeit und Nudging seien nicht genug. „,Wir haben uns alle lieb‘ funktioniert in bestimmten gesellschaftlichen Fragen nicht“, sagte der Hamburger CDU-Chef Roland Heintze, neben Unternehmerin Aleksandra Izdebska mit auf dem Podium. „Ein Staat muss sagen: Wir tun alles für Integration, aber wir erwarten eine Gegenleistung. Das heißt auch, sich den Regeln anzupassen.“

Jetzt, da immer mehr Menschen ins Land kommen, die nicht wie früher aus benachbarten Regionen stammen, sei die Frage, wie sehr die Werte, die hierzulande als selbstverständlich angenommen würden, auch eingefordert würden, sagte Blümel. In traditionellen Einwanderungsländern wie Australien oder den USA gebe es etwa sehr hohe Verpflichtungen für die Menschen, die neu ins jeweilige Land kämen. „Bei uns gibt es nicht das klare Bekenntnis zu sagen, dass sie auch verpflichtet werden, kulturelle Standards zu akzeptieren und die Sprache zu lernen.“


Gutscheine statt Geld. Mit der türkis-blauen Reform der Mindestsicherung, die laut Blümel „fast fertig“ ist, dürfte sich Letzteres ändern: So soll laut Minister die volle Höhe der Mindestsicherung nur dann in Geld ausbezahlt werden, wenn Menschen prinzipiell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, also ausreichend Deutsch sprechen. Bis der Integrationsfonds nicht das notwendige Sprachniveau bestätigt habe, solle ein Teil der Mindestsicherung laut Blümel in Form von „Sprachgutscheinen“ ausbezahlt werden. Für Franz Wolf, Chef des Österreichischen Integrationsfonds, wird das „eine bedeutende integrationspolitische Maßnahme sein, auch wenn versucht wird, das anders darzustellen. Da wird man von Grauslichkeiten etc. sprechen.“

Dass die aktuelle türkis-blaue Politik schlechte Stimmung gegenüber den Migranten erzeuge, sei übrigens auch nicht der Fall, meinte Minister Blümel abschließend. Während bei ÖVP-Umfragen in Wien in den vergangenen Jahren die größte Sorge der Menschen stets „zu viele Migranten“ gewesen sei, sei das zuletzt nicht mehr der Fall gewesen: Als größtes Problem sei von den Befragten im Juni die Integration von Migranten angegeben worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2018)

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