Büroplanung

Bienenstock mit Hotelcharakter

Fotos: P&C/paul ott, Gnesda
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Moderne Bürogebäude müssen dafür sorgen, dass Mitarbeiter sie gern betreten, auch wenn sie das gar nicht müssten.

Leicht haben sie es nicht, die Arbeitgeber in Zeiten des War for Talents: Wer seinen Mitarbeitern nicht genug Freiheiten lässt, bekommt sie gar nicht erst, die besten Köpfe. Wer ihnen zu viel davon gibt, verliert sie womöglich schneller wieder, als ihm lieb ist. Ein Spannungsfeld, dem die Unternehmen mit immer neuen Arbeitswelten Rechnung tragen und sich den neuen Bedingungen laufend anpassen.

(C) Roßboth

Aber der Reihe nach: „Drei von fünf Studierenden würden laut einer Umfrage des Zukunftsforschungsinstituts nicht bei einem Arbeitgeber arbeiten, bei dem sie nicht frei über ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort entscheiden können“, benennt Andreas Gnesda, Inhaber von Team Gnesda, die Realität, mit der sich Unternehmen schon eine ganze Weile auseinandersetzen müssen. Und das haben sie auch gründlich getan: Gearbeitet wird heute nicht nur im Home Office und Caféhaus, im Auto und der Bahn, „sondern auch noch auf der Skipiste und am Segelboot“, sagt Ewald Stückler, Geschäftsführer der Tecno Office Consult (t.o.c.). Nie zuvor waren die Orte und Zeiten, an und zu denen gearbeitet wird, so austauschbar wie heute: „Früher war alles, was nicht Arbeitszeit war, automatisch Freizeit. Heute ist alles Arbeitszeit, was nicht dezidiert Freizeit ist“, erklärt Gnesda den Paradigmenwechsel. Der allerdings unter anderem auch zu Burn-outs und gravierenden Auswirkungen für die ganze Gesellschaft geführt hat. Und schön langsam auch dazu, dass Unternehmen einerseits Regeln einführen, die das Verschicken von E-Mails am Wochenende oder während des Urlaubs unterbinden sollen; andererseits beginnen viele Unternehmen auch damit, ihre Gebäude wieder attraktiver für die Mitarbeiter zu machen. Nicht zuletzt deshalb, um sie stärker an das Unternehmen zu binden – denn wer sich keiner Firmenkultur zugehörig fühlt, kann leicht auf die Idee kommen, sein wertvolles Wissen teurer an andere zu verkaufen.
„,Work where you are‘ ist heute ein Faktum“, weiß auch Martin Pongratz, Head of Workplace Strategy für Zentral- und Osteuropa bei CBRE. „Aber das birgt natürlich auch die Gefahr, dass die Firmenkultur zerfasert und die Mitarbeiter sich nicht mehr gebunden fühlen, sondern sich viel mehr im Freelancer-Status sehen, der sein Wissen und Können dem Bestbietenden anbieten kann.“

Bürogebäude als Bienenstock
Wie also lassen sich die notwendige neue Freiheit und die Bindung an das Unternehmen unter einen Hut bringen? Zum Beispiel, indem man die Unternehmensräume so gestaltet, das die Mitarbeiter dort nicht hingehen müssen, sondern möchten. „Dabei sollte das Bürogebäude als eine Art Bienenstock dienen, in dem man sich Infos und Aufträge holt und mit Kollegen kommuniziert – und dann wieder ausschwärmt“, drückt es Stückler bildlich aus. „Es geht darum, die Unternehmenskultur bewusst zu pflegen und im Raum auszuprägen, um einen Ort zu schaffen, in dem ich nicht nur meinen Dienst leiste, sondern beispielsweise im Team konstruktiv arbeite. Oder einfach einen Raum nutzen kann, der gut für stressreduziertes Arbeiten ist“, erklärt Pongratz.
Was bei so manchem Mitglied der neuen, freien Arbeitswelten durchaus auf offene Ohren stößt. Denn so sehr es vor zehn Jahren als Nonplusultra galt, wann immer und wo immer arbeiten zu können, so ist mittlerweile eine gewisse Gegenbewegung zu konstatieren. „Inzwischen hat man festgestellt, dass Home- Working auch zur Isolation führt. Und die Leute wollen – zumal in Zeiten, in denen die menschlichen Beziehungen sowieso ein wenig unter der Digitalisierung leiden – wieder gern ins Büro gehen“, weiß Gnesda, aber fügt hinzu: „Wenn’s dort stimmt!“
Was aber brauchen Büros im Jahr 2018, damit es dort stimmt? Zunächst einmal müsse es so etwas wie ein Leitbild, eine Firmenidentität geben, die in den Räumen spürbar sei. „Für den Gestalter heißt das, er muss die Firmenkultur im Raum erlebbar machen“, so Gnesda, und das dürfe nicht nur aufgesetzt sein. „Wenn das Thema Transparenz in den Firmenwerten eine wichtige Rolle spielt, dürfen die Chefs sich auch nicht hinter Tapetentüren verstecken; ist Nachhaltigkeit wichtig, muss sich das auch bei den Materialien und bei der Mülltrennung wiederfinden; und wenn ich Partnerschaft und soziale Orientierung groß schreibe, dann sollte auch durch Coffee Corners oder ein Mittagessen spürbar sein, dass mir das wirklich am Herzen liegt“, so der Büroplaner.

Fotos: P&C/paul ott, Gnesda
Fotos: P&C/paul ott, Gnesda

Renaissance der Arbeitersiedlung?
Außerdem lässt sich Bindung natürlich dadurch gut herstellen, dass man den Mitarbeiter mit einem Rundumsorglos-Paket verwöhnt, damit dieser kaum noch den Wunsch verspürt, den Dunstkreis des Arbeitsgebers je wieder zu verlassen. „Für viele ist heute nicht so sehr der Paycheck, sondern der Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz ausschlaggebend“, berichtet Stückler, „nicht umsonst gibt es Modelle wie bei Google Office, wo von der Wäscherei bis zum Kino alles geboten wird, um den Mitarbeiter im Positiven im Unternehmen zu halten.“
Ein Bestreben, das selbst längst vergessen geglaubte Modelle plötzlich wieder in Mode kommen lässt: „Einige Unternehmen beginnen jetzt durchaus zu überlegen, ob sie ihren Mitarbeitern nicht Wohnungen zur Verfügung stellen wollen“, weiß Gnesda von einer Art Renaissance der guten alten Arbeitersiedlung. Die angesichts der mancherorts kaum noch leistbaren Wohnungspreise durchaus wieder Sinn machen könnte, derzeit aber noch Zukunftsmusik ist.
Mehr und mehr zur Realität werden dagegen langsam auch in Österreich Wellness- und Gesundheitsangebote in den Unternehmen. „Zwar hinkt Österreich da anderen Ländern, wie beispielsweise dem Vorreiter Holland, noch ein bisschen hinterher, aber es wird durchaus eine Basis geschaffen“, so Pongratz. Was auch die Zahlen der CBRE-Studie zur Zukunft der Arbeit 2018 zeigt: Danach haben 80 Prozent der befragten Unternehmen bereits ein Wellness-Programm oder planen zumindest, eines einzuführen; 92 Prozent haben angegeben, Wellness-fähige Gebäude zu präferieren.

Werkstatt statt Schreibtisch
Aber auch wenn Yogakurse und Massageangebote fraglos eine gute Sache sind, der Daseinszweck eines Unternehmens sind sie sicher nicht. Denn vor das Entspannen an der hauseigenen Rooftop-Bar haben die Chefs noch immer die gute alte Arbeit gestellt, die erledigt werden muss. Das wird sie auch – wenn auch inzwischen am Firmenstandort anders als einst, als noch jeder Mitarbeiter seinen festen Platz hatte, an dem sich alles abspielte, was nicht Meeting genannt wurde.
Heute heißt das Zauberwort der modernen Bürogestaltung „Activity Based Working“, das den Mitarbeiter im „Bienenstock“ von der Coffee Corner für die erste Abstimmung mit den Kollegen über den Besprechungsraum für ein Kundenmeeting oder in die Ruhekoje für die Telefonkonferenz führt. „Dabei findet der Arbeitsprozess eher wie einst in einer Werkstätte statt“, erklärt Pongratz. Damals hat sich die Wahl des Ortes daran orientiert, welches Werkstück und welches Arbeitsmaterial gerade gebraucht wurde.
Wobei natürlich der menschliche Faktor nicht vergessen werden darf, und die Prozesse entsprechend angepasst werden müssen – um etwa zu verhindern, dass Telefonkojen oder Besprechungsräume wie die Liegen am Pool gleich in der Früh blockiert werden, damit man sie hat, wenn man sie braucht. „Dazu muss zum einen bei der Planung sichergestellt werden, dass es von allem genug gibt“, so Pongratz. Außerdem komme bei diesen neuen Arbeitswelten dem Facility Management eine ganz neue Aufgabenstellung zu: „Das muss sich in den neuen Strukturen wie eine Art Hotelmanagement verstehen“, so Pongratz, „das dafür zu sorgen hat, dass die Gäste sich wohlfühlen.“ Und damit immer wieder ins Hotel Bienenstock zurückkehren – gern und freiwillig.

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