Smarte Arbeitskultur

Fotos: Dimo Dimov, Nicky Webb, My Little Paris, Carolina Frank
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So clean und aufgeräumt moderne Arbeitsplätze hin und wieder wirken, so kreativ sind oft die Details. Zwei Büros in Wien und eines in Paris zeigen ihre inneren Werte.

Fotos: Dimo Dimov, Nicky Webb, My Little Paris, Carolina Frank

Nun hat es gar den Staatspreis für Architektur gewonnen, das neue Hauptquartier der Post am Rochusmarkt. Entworfen von Architekten Schenker Salvi Weber mit feld72, gefiel der Jury vor allem der innerstädtische Standort sowie die Integration von alter Substanz und neuer Kunst im Gebäude. Doch wie arbeitet es sich dort? 1100 Mitarbeiter sind Ende 2017 eingezogen und haben die 22.000 m2 Bürofläche quasi dem ultimativen Härtetest unterzogen.„Einiges wurde noch adaptiert, vieles hat sich gut entwickelt“, zieht Hanna Kovar Bilanz. „Und einiges wird Stück für Stück erobert.“
Die Architektin arbeitet seit Anfang 2018 im Projektmanagement und ist viel im Haus unterwegs, dessen Räume nach Tätigkeitsbereichen ausgestattet wurden: Arbeitsplätze mit höhenverstellbaren Schreibtischen, Kojen für geplante Beprechungen, Einzelarbeit, spontane Meetings, Telefonate stehen ebenso im Raum wie offene Loungebereiche. „Es ist wirklich angenehm, sich zum Telefonieren oder Beprechen zurückziehen zu können“, sagt sie. „Auch das Desk-Sharing kommt mir entgegen. Für viele Mitarbeiter ist es aber schon eine Umstellung, jeden Tag seine Sachen in die Filztasche zu geben und im Kasten zu verstauen“. Dass der Mensch nicht nur ein Gewohnheitstier ist, sondern auch sein Umfeld personalisieren möchte, zeigt sich an diversen Stellen im Haus – wo auf das cleane, schalldämmende, nach Farbleitsystem gestaltete Interieur Ansichtskarten und Zeitungsausschnitte treffen, Pokale glänzen, Folien-Fische aus einem Glaskobel ein Aquarium machen sollen und Post-its im Telefonkammerl die Anrufwahl erleichtern. Das dezente Designkonzept trägt das mit Fassung.

Fotos: Dimo Dimov, Nicky Webb, My Little Paris, Carolina Frank

Stille Post
An der Kunst kommt man nicht vorbei. Schon im Entree prangt die Installation zum Thema „Morsen“ an der Wand, im Stiegenhaus, dem Schnittpunkt zwischen altem und neuem Teil, werden in jedem Stockwerk wechselnde Bilder gezeigt, in der Mitte dreht sich die „Wirbelsäule“ von Hans Kupelwieser. Die Innenhoffassaden sind von Peter Kogler entworfen worden. Und im Saal im Obergeschoß hängt die Installation „Stille Post“ aus Metallinstrumenten. Laut ist es nirgends – die Schalldämmung zeigt Wirkung.
„Einer meiner Lieblingsplätze ist im alten Teil des Gebäudes, der mit Eichenparkett und Holz-Schallschutzlamellen ausgestattet wurde“, erzählt Kovar. „Das riecht man gleich, wenn man hineinkommt“. Auch in der Lounge zwischen alt und neu ist sie oft anzutreffen. „Bei den Loungemöbeln mussten wir einiges dazubestellen, für die Küchen waren mehr Geschirr und Sitzmöbel notwendig“, erzählt Kovar von den Adaptierungen. „Auch dass es am Arbeitsplatz keine Mülleimer gibt – und für Papier nur im Kopierraum –, ist eine Umstellung.“

Fotos: Dimo Dimov, Nicky Webb, My Little Paris, Carolina Frank

Quantensprung
Das IMP – Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie – beherbergt in der Viehmarktstraße seit Ende 2016 mehr als 250 Mitarbeiter aus 40 Ländern. Ronny Zimmermann, ursprünglich aus dem deutschen Wittenberg, ist Leiter der IT-Abteilung mit 13 Mitarbeitern und mit seinem Team für das IT-Service des Hauses zuständig. Und für das Nachbarhaus – das IMBA (Institut für nukleare Biotechnologie) mit 260 Mitarbeitern. Er ist seit 2013 beim IMP und schätzt das Gebäude. „Der Umzug war schon ein Quantensprung“, erzählt er, von der Verbindungsbrücke zwischen dem IMP- und dem IMBA-Gebäude auf das alte Büro in der Nähe zeigend. „Hier ist alles weitläufig, es gibt viel Platz.“ Backoffice und Servicedesk wurden getrennt, „das ist ein ganz anderes Arbeiten.“ Viel Glas und Helligkeit schaffen ein freundliches Ambiente, über die Flächen läuft eine Buchstabenabfolge – ein DNA-Code. „Der gehört zu einem Gen, der für das Lernen mitverantwortlich ist.“
Trotzdem: So schön es optisch wirke, Rückzugsorte könnte es seiner Meinung nach mehr geben. An der Lautstärke der Mitarbeiter liegt das nicht – die schalldämmenden Oberflächen schlucken fast jedes Geräusch. „Aber bei 140 IT-Services für 1100 Clients, also Endgeräte der IMP- und IMBA-Mitarbeiter, gibt es immer wieder etwas zu besprechen.“ Die Lage der Abteilung ist zentral, im ersten Geschoß untergebracht, „da hat man zu allen kurze Wege, auch zum IMBA.“ In den zwei Geschoßen darüber liegen die Forschungsabeilungen, darüber die Administration. „Einen Mitarbeiter zu finden, ist aber nicht schwer“, deutet Zimmermann auf die Bildschirme, die in jedem Stockwerk aktuelle Veranstaltungen anzeigen. Sie dienen nämlich auch als Personensuchsystem. Den Namen der Person einzugeben genügt – und das Programm zeigt den Ort und auch gleich den Weg dazu an.

Fotos: Dimo Dimov, Nicky Webb, My Little Paris, Carolina Frank

Cafeteria mit Fragestellung
Sehr retro wirkt dagegen die ausgedruckte Einladung zur hausinternen „Wies‘n“ am Lift. „Jeden Freitag ist Vernetzung angesagt, da kommen oft 100 oder 200 Leute zusammen“, erzählt Zimmermann. „Viele Forscher sind ja nicht so lang in Wien, haben (noch) kein großes soziales Netzwerk oder Familie und nehmen das Angebot, mit Kollegen den Feierabend zu genießen, gern an.“
Errichtet wurde das Gebäude von ATP Architekten Ingeniure, wie es sich für ein Forschungsinstitut gehört, möglichst energieschonend. Kühlung, Heizung oder Beschattung laufen „automatisch“, das Haus denkt quasi mit. Energiearm ist auch der Serverraum im Keller. „Wir kühlen die leistungsstarken Server nicht nur vom Boden aus, sondern auch per vertikalen Kühlleisten.“ Derzeit sind 70 Server (und 400 virtuelle) im Einsatz, in Kürze werden es 200 mehr sein. „Das HEPHY (Hochenergiephysik-Institut) kommt noch dazu, wir werden also ein High- Performance Cluster sein“, so Zimmermann über die zukünfitgen Aussichten. Apropos Aussichten: Einer seiner Lieblingsplätze ist die Cafeteria auf der Terrasse des IMBA-Gebäudes, die im Zuge des IMP-Baus doppelt verglast wurde. „Obwohl für einen IT-ler natürlich immer die Gefahr besteht, zu einem technischen Problem befragt zu werden, wenn man gerade ausspannen möchte.“ Früher war es hier zu heiß oder zu frisch zum Sitzen, „jetzt ist es wirklich eine Bereicherung für alle Mitarbeiter.“ Ebenso wie die Worte „What if God was wrong“. Bereits unter IMBA-Chef Josef Penninger vom Studenten Lukas Troberg an der Wand der Cafeteria angebracht, sollen sie die Möglichkeiten der Genforschung reflektieren, ganz nach dem Motto: Kunst muss Fragen nicht beantworten, sie kann sie auch stellen.

Kissen und Kojen
Hinter einer schlichten Ziegelfassade im Pariser Multikulti-Stadtviertel Barbès summt es wie in einem Bienenstock. Hier hat „My Little Paris“ seinen Firmensitz, ein Unternehmen, das Pariser Lifestyle in Geschenkeboxen und Newsletter verpackt und damit höchst erfolgreich ist. Auf sieben Etagen, vom Fotostudio im Erdgeschoß bis zum winzigen Büro (ein ehemaliges Dienstbotenzimmer) der Chefin Fany Péchiodat unterm Dach, arbeiten mehr als 100 Menschen. Vor allem Frauen, nur circa fünf Prozent des Mitarbeiterstabs sind Männer, die Hälfte der weiblichen Angestellten sind Mütter. „Das Durchschnittsalter des Teams liegt bei 28 Jahren und entspricht dem unserer Abonnenten“, erzählt Péchiodat, die von Beginn an bei „My Little Paris“ dabei war. „Damals war mein Wohnzimmer unser Büro und wir bezahlten uns mit Pizzen“, lacht sie. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam rasch der Erfolg und das ursprünglich vierköpfige Team wuchs und musste umziehen.
Auf allen Stockwerken wurden Trennwände und Türen entfernt und großzgügige Atelierfenster eingebaut – es werde Loft.
Nicht nur das Fotostudio samt aller Requisiten fand hier Platz, auch eine Kantine, besser Wohnküche wurde eingerichtet. Dort im sechsten Stock wird aber nicht nur gemeinsam gegessen und gekocht, am klobigen Holztisch zwischen Teekanne und Schneidbrett finden auch oft Brainstormings statt. Wie überall im Haus herrscht hier so etwas wie WG-Stimmung, in den Regalen warten Teehäferl auf ihre Besitzer. „Jeder Mitarbeiter bekommt zum Einstieg seine eigene Mug mit Namen und Paris-Illustration und eine Stoffhülle für den Bürostuhl“, erzählt Péchiodat.

Kino-Inspiration
Wände gibt es im Reich von „My Little Paris“ also so gut wie keine, dafür Wendeltreppen aus Metall, Vintage-Emailleschilder, wackelige Hocker vom Flohmarkt, auf allen Etagen viele Grünpflanzen und noch mehr Sofakissen. Wer konzentriert arbeiten will, zieht sich in Bürokojen zurück, schalldichte Nischen, zum Beispiel mit Eiffelturm-Print an der Wand. Und im ersten Stock findet sich eine wirkliche Besonderheit: das Bürokino. Hier werden nonstop Filmklassiker an die Wand projeziert, von Casablanca bis Nouvelle Vague. „Das Heimkino soll die Inspiration fördern, nur ein angenehmes Ambiente inspiriert, man soll sich hier wie zu Hause fühlen“, sagt Péchiodat. Deshalb gibt es hier auch immer frische Schnittblumen, immer wieder neue Bücher, „denn Lesen bereichert und macht glücklich“. Und natürlich stapeln sich auch in ihrem kleinen Büro auf einem Beistelltischchen Bücher und Magazine, fast bis an die Decke.

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