Alexandra Borchardt: "Wichtig, die analogen Institutionen zu pflegen"

Borchardt: Die Gesetze der realen Welt gelten auch in der digitalen Welt.
Borchardt: Die Gesetze der realen Welt gelten auch in der digitalen Welt.(c) Lukas Aigelsreither
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Journalismus-Expertin Alexandra Borchardt im Gespräch über Bedrohungen der Demokratie durch Online-Plattformen und über die Möglichkeiten, das Internet zu regulieren. Die klassische Gewaltenteilung müsse gewahrt bleiben.

Die Presse: Wie wirken Online-Plattformen auf Journalismus?

Alexandra Borchardt:
Da gibt es drei Dynamiken. Menschen konsumieren Medien anders als früher: Gerade junge Menschen gehen sehr häufig über Social Media und Suchmaschinen in den Nachrichtenstrom und fischen sich was raus. Sie erkennen dabei nicht genau, von welcher Medienmarke die Nachrichten stammen, was mit Vertrauen zu tun hat. Und es ist sehr viel darunter gemischt, bei dem man nicht so genau weiß, ist es wahr oder falsch. Die „Media Literacy“ muss man erst mal lernen. Zweitens: Die großen Oligopolisten – Google, Facebook – greifen sehr viel von dem Anzeigenvolumen ab, was früher der diversifizierten Medienbranche zugutegekommen ist. Viele Redaktionen sind finanziell in Nöten. Und drittens ist die Abhängigkeit von den Oligopolisten sehr groß, weil sie Algorithmen einsetzen, um die Nachrichten zu filtern. Sie entscheiden viel mehr, was die Leute lesen, als die Redaktionen. Sie tun auch gerne Gutes und finanzieren Journalismus, aber nach eigenem Gutdünken.

Sehen Sie insgesamt die Demokratie durch die Plattformen bedroht oder auch gefördert? Es gibt ja viel mehr Informationen.

Es wäre falsch zu sagen, dass die politische Polarisierung, die ja stattfindet, auf Social Media zurückzuführen ist. Die Wurzeln liegen ganz woanders. Ich habe Anfang der 1990er in den USA gelebt, und es zeichnete sich damals schon ab, dass sich ein Graben zwischen den politischen Lagern auftut. Da war an Social Media noch überhaupt nicht zu denken. Nichtsdestotrotz tragen Social Media dazu bei, dass jemand, der eine extreme politische Gesinnung hat, auf diesem Wege sehr viel leichter Gleichgesinnte findet. Früher waren jemandem seine politischen Einstellungen vielleicht peinlich und er hat sich nicht getraut, sie zu äußern; jetzt fühlt er sich möglicherweise sehr leicht in der Mehrheit, weil er immer andere findet, die das auch befürworten. Das vertieft die Polarisierung. Aber natürlich gibt es heute viel mehr Informationsmöglichkeiten. Deshalb ist das Argument mit den Filterblasen nur begrenzt richtig. Die Leute haben sehr viel mehr Zugang zu Informationen als früher. Die Frage ist nur, was dann im Kopf mit den Informationen passiert. Der Filter ist nicht so sehr in Social Media, sondern im Kopf.

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