Die SPÖ schließt das Kapitel Kern

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner trat am Sonntag nach einer dreistündigen Präsidiumssitzung am Wiener Kahlenberg vor die Medien.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner trat am Sonntag nach einer dreistündigen Präsidiumssitzung am Wiener Kahlenberg vor die Medien.(c) APA/HANS PUNZ
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Mit Andreas Schieder hat die SPÖ rasch nach dem Rückzug Christian Kerns einen Ersatzkandidaten für die EU-Wahl gefunden. Rendi-Wagner besänftigt verärgerte Genossen in den Ländern.

Wien. Es sind turbulente Tage für die SPÖ. Das musste selbst die neue Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, die am gestrigen Sonntagnachmittag nach der SPÖ-Präsidiumssitzung am Wiener Kahlenberg vor die Medien trat, öffentlich zugeben. Sie sprach von „keiner unaufgeregten Zeit“. Die Turbulenzen hätten die Partei und sie nun „hinter uns gebracht“ – und darauf liege, wie die Parteichefin sagte, die Betonung. „Ein neues Kapitel wird hier aufgeschlagen“ – und das Kapitel Christian Kern damit endgültig geschlossen.

Das neue Kapitel soll ein ruhigeres sein. Eines ohne innerparteiliche Konflikte und überraschende Meinungsschwenks. Das wollte die neue Parteichefin am Sonntag auch sogleich demonstrieren. Es galt Einigkeit, Managementstärke und Sicherheit zu zeigen. Gerade einmal 24 Stunden nach dem Komplettrückzug Christian Kerns wurde ein Ersatzkandidat für die EU-Wahl präsentiert. Andreas Schieder, der heuer bereits auf dem Weg zum Wiener Bürgermeister scheiterte und zuletzt als Klubobmann demontiert wurde, darf die SPÖ als Spitzenkandidat in die Wahl am 26. Mai 2019 führen. Das wurde einstimmig beschlossen.

Vor die Medien durfte Schieder nach der dreistündigen Sitzung (noch) nicht als Spitzenkandidat treten. In Abwesenheit streuten ihm Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda Rosen bei ihrem von lautem Rasenmäherlärm begleiteten Auftritt am Kahlenberg. Er sei ein „ausgewiesener Europakenner“ und „außenpolitisch erfahrener Politiker“. Ihm wird mit SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner eine Kandidatin der roten Gewerkschaft zur Seite gestellt. „Für mich ist das ein Spitzenduo“, sagte Rendi-Wagner. Man werde die Aufgabe als Team meistern.

 

Ständige Intrigen und positive Emotion

Doch gerade Teamfähigkeit scheint der SPÖ derzeit zu fehlen. Das legen die letzten Worte des Kapitels Kern nahe. Er sei, sagte der Ex-SPÖ-Chef bei seinem überraschenden Komplettrückzug am Samstag, unter anderem an den „ständigen Kleinintrigen von hüben und drüben“ gescheitert. Davon wollte die neue Führungsmannschaft nichts wissen. Sie habe in den vergangenen Tagen „sehr viel positive Emotion“, „sehr viel Sympathie“ und „Unterstützung“ gespürt, sagt Rendi-Wagner. Man fühle sich, wie auch Drozda sagte, „von allen ausreichend und gut unterstützt“.

Die Wiener SPÖ, in der sich nach der Absetzung Andreas Schieders als Klubobmann Ärger breitmachte, wurde durch dessen Kür zum EU-Spitzenkandidaten besänftigt. Und auch den gereizten steirischen Genossen, die Max Lercher gern weiter als SPÖ-Bundesgeschäftsführer gesehen hätten, wurden Zugeständnisse gemacht. Sie haben nun einen fixen EU-Listenplatz in Aussicht. Außerdem soll der steirische Ex-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried dem Vernehmen nach im Klub aufgewertet werden. Er soll der neuen Klubobfrau, zu der Rendi-Wagner bei einer außertourlichen Fraktionssitzung heute, Montag, gewählt wird, das eine oder andere abnehmen, hieß es.

 

Kern scheiterte mit seinem Plan

Rendi-Wagner war bei ihrem Auftritt sichtlich bemüht, den Blick nach vorn zu richten. Doch zu viele Fragen waren noch in den turbulenten vergangenen Tagen offen geblieben: Wann hat Kern sich dazu entschlossen, doch nicht als Spitzenkandidat für die EU-Wahl, zu dem er sich zuvor selbst gemacht hat, zur Verfügung zu stehen? Wann hat Rendi-Wagner, die nun die Partei lenken sollte, davon erfahren? Und weshalb hat Kern den Entschluss tatsächlich gefasst?

Laut Rendi-Wagner dürfte Kern die Entscheidung, sich zurückzuziehen, im Lauf des Freitags getroffen haben. Sie habe es allerdings erst am Samstag um acht Uhr früh, also gerade einmal viereinhalb Stunden vor seinem öffentlichen Auftritt, erfahren. Einer der Gründe für den Rückzug dürften Kerns Pläne gewesen sein, gemeinsam mit einer Allianz aus Sozialdemokraten und Liberalen bei der EU-Wahl anzutreten. Kern wollte offenbar, so erzählt er es der Zeitung „Österreich“, als „Allianz der Freunde Europas“ antreten. Dafür dürften weder die Neos noch die Grünen direkt gefragt worden sein. Allerdings einige Vertreter von ihnen.

Das ging Rendi-Wagner, wie sie am Sonntagnachmittag durchklingen ließ, offenbar dann doch zu weit. Man müsse zwar enger zusammenarbeiten, „wohlgemerkt aber innerhalb der sozialdemokratischen europäischen Familie“, sagte sie. Eine Allianz bereits während des Wahlkampfs sei für sie „kein Thema“.

Die Personaldebatten will Rendi-Wagner nun abgehakt haben. Im neu begonnenen Kapitel will sich die SPÖ auf Pflege, Wohnen und Facharbeiter konzentrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2018)


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