Klimawandel: So begrenzen wir die Erwärmung

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Das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, ist mit den jetzigen Methoden fast nicht mehr zu erreichen, so der UN-Weltklimarat. Es braucht drastischere und teurere Maßnahmen.

Wien. Sie gilt als „Durchbruch“ der Klimapolitik – die Konferenz von Paris im Dezember 2015. Damals einigten sich die Delegierten aus der ganzen Welt nicht nur auf einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll, sie setzten sich dabei auch ein ehrgeizigeres Ziel. So soll die durchschnittliche globale Erwärmung nun nicht mehr auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter beschränkt werden, sondern sogar auf 1,5 Grad. Was bei der politischen Verabschiedung vor knapp drei Jahren noch niemand sagen konnte, war allerdings, inwiefern dieses Ziel überhaupt erreicht werden kann und welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Dies herauszufinden wurde an den UN-Weltklimarat IPCC delegiert, der gestern, Montag, den entsprechenden Bericht vorlegte. Er zeigt zwar, dass das neue Ziel Sinn ergibt. Allerdings auch, dass es nur mit massiven zusätzlichen Anstrengungen und zu hohen Kosten erreicht werden kann.

Das neue Ziel

Die Senkung des Klimaziels auf eine Erwärmung von maximal 1,5 Grad wurde von Umweltschützern und Klimaexperten schon lang gefordert. Der IPCC-Bericht, der sämtliche global verfügbaren Studien zu dem Thema zusammenfasst, unterstützt dieses neue Ziel. So gebe es „deutliche Unterschiede“ in den Auswirkungen zwischen einer Erwärmung um 1,5 oder einer um zwei Grad. So geht etwa der Anteil der Insekten oder Pflanzen, die aus ihrem angestammten Lebensraum verschwinden werden, von 18 beziehungsweise 16 Prozent auf sechs beziehungsweise acht Prozent zurück. Auch die sehr sensiblen Korallenriffe würden nicht mehr zu 99 Prozent, sondern zu 70 bis 90 Prozent verschwinden. Vor allem würde jedoch der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um zehn Zentimeter geringer ansteigen, was die Probleme für bewohnte Küstenregionen (Überschwemmungen oder versalztes Grundwasser) deutlich reduziert. Und auch die Ernteausfälle bei Mais, Reis und Weizen würden im Afrika südlich der Sahara, in Zentral- und Südamerika und in Südostasien „wesentlich geringer“ ausfallen, weshalb die Gefahr von Hungersnöten sinken wird.

Die Maßnahmen

Da die globale Erwärmung heute bereits beinahe ein Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ausmacht, ist die Beschränkung auf 1,5 Grad mit den bisherigen Methoden – langsame Abkehr von fossilen Treibstoffen – fast nicht mehr zu schaffen. So müsste der CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 2010 um 45 Prozent gesenkt werden und 2050 bei null liegen, schreibt das IPCC. Ändert sich nichts an den Emissionen, dann ist das für die Erreichung dieses Ziels verbleibende „Kohlenstoffbudget“ von etwa 500 Gigatonnen CO2beim derzeitigen Ausstoß von 42 Gigatonnen in zwölf Jahren verbraucht.

Das IPCC geht daher davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nur unter Verwendung von Maßnahmen zur CO2-Beseitigung erreichbar sein wird. Dazu gehört beispielsweise, aus Biomasse Gas zu erzeugen und das bei der Verbrennung dieses Gases entstehende CO2 abzuscheiden und in der Erde zu speichern (BECCS). Da die Pflanzen beim Wachstum CO2 aus der Luft gezogen haben, kann so der Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre künstlich verringert werden. Allerdings ist das eine sehr teure und auch mit Risken behaftete Technologie. Zudem müssten bis zu 13 Millionen Quadratkilometer heutiger Weiden und Äcker bis zum Jahr 2050 entweder für Energiepflanzen verwendet oder zu Wald werden. Das ist mehr als das 150-Fache der Fläche von Österreich.

Die Kosten

Diese zusätzlichen Maßnahmen machen die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels sehr teuer. So rechnet das IPCC mit 2,4 Billionen Dollar, die global jedes Jahr bis 2035 für einen Umbau des Energiesystems ausgegeben werden müssten. Das entspricht etwa 2,5 Prozent des globalen BIPs und wäre eine Versiebenfachung der heutigen Investitionen in erneuerbare Energieträger. Klar sei aber eines: Je länger die vergleichsweise billigen fossilen Energieträger verbrannt werden, desto mehr teure CO2-Reduktionsmaßnahmen müsste es in der Zukunft geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2018)

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