Ex-Grüne Sigrid Maurer wegen übler Nachrede schuldig gesprochen

GERICHTSVERHANDLUNG WEGEN UeBLER NACHREDE: MAURER / WINDHAGER
GERICHTSVERHANDLUNG WEGEN UeBLER NACHREDE: MAURER / WINDHAGERAPA/HANS PUNZ
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Die ehemalige Abgeordnete der Grünen hatte sexuelle Belästigungen auf Facebook öffentlich gemacht und Beschuldigungen erhoben. Nun wurde sie verurteilt, obwohl der Richter glaubt, dass der Kläger lügt. Maurer zeigte sich nach dem Urteil "sehr erschüttert".

Die Ex-Grünen-Politikerin Sigi Maurer ist am Dienstag wegen übler Nachrede schuldig gesprochen worden. Maurer hatte sich vor Gericht wegen übler Nachrede und Kreditschädigung verantworten müssen, weil sie obszöne Nachrichten an sie auf Facebook und Twitter gepostet und darin den Besitzer eines Biergeschäfts als Verfasser beschuldigt hatte, der sie daraufhin klagte. Vom Vorwurf der Kreditschädigung wurde sie hingegen freigesprochen. Sie muss nun 4000 Euro an den Kläger zahlen und Verfahrenskosten übernehmen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Sigrid Maurer zeigte sich nach der Urteilsverkündung gegenüber Medien "sehr erschüttert". Sie habe nicht damit gerechnet und könne nicht nachvollziehen, dass man zu diesem Schluss kommt. "Ich werde nicht klein beigeben, wir werden in Berufung gehen und das Geld dafür aufstellen. "Es ist völlig eindeutig, dass er es gewesen sein muss."

Laut einer Erklärung seines Anwalts erwägt der Lokalbesitzer weitere rechtliche Schritte gegen Maurer. Maurer hätte, bevor sie Derartiges öffentlich vorwirft, zunächst überprüfen müssen, ob er das war.

Richter: "Wahrheitsbeweis nicht geglückt"

Maurer habe die Behauptung verbreitet, dass der Biershopbetreiber, der sie geklagt hatte, ihr die Nachricht geschrieben hat, führte der Richter sein Urteil aus. Er glaube ihr aber, dass Maurer zu dem Zeitpunkt überzeugt war, dass der Biershopbetreiber die Nachricht verfasst habe. Deswegen sei es kein Vorsatz gewesen.

"Sie wollten erreichen, dass es zu einer Ächtung kommt", sagte der Richter. Daher sei Maurer zu verurteilen. Denn sie habe die journalistische Sorgfalt, die auf Twitter eine Mindestanforderung wäre, nicht beachtet. Sie hätte bei der Gegenseite nachfragen müssen und beweisen müssen, dass der Kläger die Nachrichten geschrieben hat. Dafür hätten die Beweise aber nicht ausgereicht. "Der Wahrheitsbeweis ist nicht geglückt."

Es habe zwar alles auf ihn gedeutet, aber nach dem Beweisverfahren, könne nicht "mit absoluter Sicherheit" gesagt werden, dass der Kläger der Absender der Nachrichten war. Es sei auch möglich, dass es der Systemadministrator gewesen sei, meinte der Richter. Aber auch ein Gast hätte es gewesen sein können, oder mehrere "angetrunkene" Personen, während der Kläger für ein kurzes Telefonat aus dem Wirtshaus gegangen war, führte der Richter weiter aus.

Richter glaubt, dass Kläger lügt

"Ich bin überzeugt, dass der Kläger lügt", sagte der Richter weiter. Er habe tendenziös geantwortet, entweder wolle er seine eigene Tat verdecken "oder er weiß genau, wer es war und will den nicht hineinreiten". Es sei jedenfalls unglaubhaft, dass der Wirt nicht wisse, wer für die Nachrichten verantwortlich sei. "Wir können aber nicht klären, wer es war."

Außerdem übte der Richter dezente Kritik an der aktuellen Gesetzgebung. "Dass das, was Ihnen angetan wurde, nicht strafbar ist, steht auf einem anderem Blatt." Dennoch habe Maurer eine Grenze überschritten, die strafbar sei. "Sie haben die Behauptung, die Sie aufstellen, nicht beweisen können," deswegen wurde Maurer schuldig gesprochen.

Maurer muss nun 4000 Euro an den Lokalbesitzer zahlen. 3000 Euro Geldstrafe muss Maurer noch an den Staat entrichten, was 150 Tagsätzen entspricht. Zudem muss Maurer nicht nur ihre eigenen Anwaltskosten zahlen, sondern auch die der Gegenseite. 

"Äußerungen letztklassig"

Es sei eine milde Strafe, sagte der Richter. "Die Äußerungen sind derart letztklassig, daher ist es auch gravierend, das jemandem vorzuwerfen.“ Dass sich Maurer nicht anders zu helfen wusste, sei kein Milderungsgrund. Der Richter habe aber ihre Motivlage als mildernd gewertet, denn Maurers Beweggrund sei „achtenswert“ gewesen. „Sie haben aufgezeigt, was man sich gefallen lassen muss.“

Ebenfalls zugunsten der 33-Jährigen sprach das Tatsachengeständnis, aber es sei eben keinesfalls ein reumütiges Geständnis gewesen. Maurer habe explizit verneint, dass sie ihre Tat bereue. Negativ bewertete der Richter, dass der Tatbestand der üblen Nachrede "massiv" gegeben war.

Die Anwältin von Maurer kündigte an, volle Berufung einzulegen. Die Gegenseite gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist demnach nicht rechtskräftig.

Facebook-Nachrichten veröffentlicht

Maurer hatte am 30. Mai veröffentlicht, dass sie am Vortag vom Besitzer des Craft Beer-Geschäftes über den Facebook-Nachrichtendienst Messenger obszöne Nachrichten bekommen habe. "Gestern hat er mich da blöd angeredet und mir diese Nachrichten geschickt", berichtete Maurer und veröffentlichte einen Screenshot der Botschaft mit eindeutig sexuell anzüglichen Inhalten.

Der Geschäftsbesitzer wurde daraufhin von Usern mit Beschimpfungen überschwemmt, sein Lokal erhielt im Netz schlechte Bewertungen und der Mann wurde mehrfach bedroht. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser zu sein, und klagte Maurer wegen übler Nachrede. Außerdem verklagte er sie wegen Kreditschädigung, da er seiner Meinung durch den Shitstorm einen materiellen Schaden in der Höhe von 20.000 Euro erlitten habe. Hinzu kommen medienrechtliche Anträge auf Entschädigung in der Höhe von 40.000 Euro.

Gleicher Schreibstil

Der Lokalbesitzer meinte, sein PC samt Facebook-Account wäre auch den Gästen zur Verfügung gestanden. Bei der ersten von zwei Nachrichten an Maurer habe er auf der Straße mit seiner Lebensgefährtin telefoniert, was er durch einen Gesprächsnachweis zu beweisen versuchte. Die auffällige Orthografie in den obszönen Botschaften und den Beiträgen auf der Homepage hatte Maurer im Glauben bestärkt, dass der Wirt diese verfasst hatte.

Bei der Verhandlung zeigte sich jedoch, dass dieser Schreibstil vom früheren Besitzer des Lokals stammen könnte, der als Administrator die Webseite des Geschäfts sowie dessen geschäftlichen Facebook-Auftritt betreut. Dieser wurde am zweiten Prozesstag als Zeuge befragt. Obwohl der Richter den Zeugen ausdrücklich darauf hinwies, er dürfe die Aussage verweigern, wenn er sich selbst belasten würde, blieb dieser dabei, er habe nichts damit zu tun und wäre auch nicht im bzw. vor dem Lokal gewesen, als Maurer vor diesem beim Vorbeigehen angepöbelt worden war.

Kläger musste Buchhaltung vorlegen

Die Ansprüche des Klägers wegen angeblichen Geschäftsrückgangs wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Maurer wurde vom Vorwurf der Kreditschädigung freigesprochen. Der Kläger konnte nicht ausreichend beweisen, dass er durch die Veröffentlichung der Nachrichten einen Geschäftsverlust von 20.000 Euro erlitten hatte.

Richter Stefan Apostol hatte beim ersten Verhandlungstermin Anfang September vom Privatankläger verlangt, die Abrechnungen des Umsatzes aus den Monaten nach dem Vorfall herbeizuschaffen. Diese sollten beweisen, dass er eine Erwerbsminderung erlitten hatte, die die verlangte Summe rechtfertigen würden. "Wenn Sie 20.000 Euro angeben und das nicht stimmt, kommt man auch ganz schnell in die Straffälligkeit", meinte Apostol. Laut dem Unternehmer wollte er expandieren, doch seien ihm im Sommer zwei Franchisepartner abgesprungen. Zum Beweis, dass die Geschäfte danach schlecht gelaufen sind, war die Verhandlung vertagt worden.

(red./APA)

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