Ein bisschen Message Control für das Volk

Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache.
Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Koalition möchte nach den Volksbegehren Konsens zeigen. Wer direkte Demokratie verspricht, darf aber nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten.

Es ist eine Umfrage, die die Regierung freuen kann. Die Unzufriedenheit mit der Politik ist gesunken, wie eine Studie im Auftrag der Initiative „Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform“ zeigt. Das Ergebnis führt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer darauf zurück, dass die Regierung medial nicht mehr als stets streitende Koalition ausgeschildert wird.

Tatsächlich geht der Regierung der nach außen gezeigte Zusammenhalt über alles, auch wenn die beiden Parteien hinter den Kulissen öfter einmal unterschiedlicher Meinung sind. Und von dem verordneten Kuschelkurs will sich die türkis-blaue Koalition auch nicht durch Volksbegehren abbringen lassen, wie sie nun demonstriert. Es werde keine Volksabstimmungen geben, machte sie rasch klar.

Aber in Sicherheit darf sich die um ihre Message Control so bemühte Regierung nicht wiegen. Noch immer gibt in der OGM-Umfrage die Mehrheit an, dass sie Politikern nicht traut. Und ein erfolgreiches Volksbegehren wie jenes zum Nichtraucherschutz mit fast 882.000Unterschriften zu ignorieren kann auf dem Wählermarkt ins Auge gehen. Wenngleich das Ergebnis in Anbetracht der breiten Unterstützung auch hätte höher ausfallen können, hätte eine Partei mit so vielen Stimmen bei der Nationalratswahl im Vorjahr 17 Prozent der Stimmen gemacht.

Auch das Frauenvolksbegehren hat mit 480.000 Stimmen eine relevante Größe, ist aber hinter jenem von 1997 zurückgeblieben, als fast 650.000 unterschrieben haben. Ein Grund dürfte die ideologische Enge bei gleichzeitiger Breite an Themen gewesen sein: Diese reichte von der wohl von vielen gewünschten kostenlosen Ganztagskinderbetreuung über eine generelle 30-Stunden-Arbeitswoche bis hin zur kostenlosen Abtreibung. Da könnten sich dann manche abseits des linksfeministischen Spektrums schwer mit einer Unterschrift getan haben.

Ein klares Ziel hatten die Betreiber des Anti-GIS-Volksbegehrens. 320.000 Unterschriften sind für ein vom Chef der politisch unbedeutenden Christenpartei initiiertes Begehren ein Achtungserfolg. Andererseits wurde dieses Volksbegehren aber indirekt von der FPÖ und auch von einigen Privatmedien beworben.

Nun wäre es in Österreich ja nichts Ungewöhnliches, Volksbegehren sanft zu beerdigen. Doch das Besondere diesmal ist, dass beide Regierungsparteien sich im Wahlkampf die direkte Demokratie auf die Fahnen geheftet haben. Die FPÖ wollte verpflichtende Volksabstimmungen ab 250.000 Unterschriften. Sebastian Kurz versprach eine Grenze von zehn Prozent – das wären auf die Wahlberechtigten umgelegt 640.000. Geeinigt hat man sich im Koalitionspakt auf eine Zahl von 900.000. Man habe nämlich an zehn Prozent der Gesamtbevölkerung gedacht, argumentierte das die ÖVP nach den Wahlen.

Die Erklärung, dass die nicht unbedingt migrantenaffine Regierung ausgerechnet bei der Ermittlung dieser Zahl die (bekanntlich nicht wahlberechtigten) Ausländer dazuzählen wollte, verwundert. Dazu kommt, dass es die verpflichtenden Volksabstimmungen laut Regierungsprogramm erst ab 2022 geben soll, also im letzten Jahr der Legislaturperiode. Das nährt den Verdacht, dass man in Wahrheit beim Regieren nicht vom Volk gestört werden will. Und was mit Reformen passiert, die für den Sankt-Nimmerleins-Tag angekündigt wurden, passiert, hat man beim Gastro-Rauchverbot gesehen. Dieses hätte mit drei Jahren Vorlaufzeit im heurigen Mai kommen sollen.

Doch unabhängig von der Reform wäre es der Koalition jetzt schon erlaubt, eine Volksabstimmung zu beschließen. Das könnte den Kuschelkurs der Koalition zwar ein bisschen stören, wenn manche ihrer Proponenten bei einem zur Volksabstimmung stehenden Thema unterschiedlicher Ansicht sind. Aber es wäre ja möglich, öffentlich um die Stimmen bei der Abstimmung zu wetteifern, ohne gleich in die alte rot-schwarze Reformblockade zurückzufallen.

Denn Koalitionsräson hin oder her: Wenn es die Regierung mit der direkten Demokratie ernst meinen sollte, muss sie ein bisschen von der Message Control schon auch dem Volk überlassen.

E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2018)

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