Unmut über Österreichs Ratsvorsitz

„Zu wenig Fortschritte.“ Damit rechtfertigte Hartinger-Klein die Absage.
„Zu wenig Fortschritte.“ Damit rechtfertigte Hartinger-Klein die Absage.(c) GEORG HOCHMUTH / APA / picturede (GEORG HOCHMUTH)
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Die Absage des EU-Sozialministertreffens verärgert mehrere Regierungen. Sie werfen Ministerin Hartinger-Klein vor, die Schaffung der EU-Arbeitsagentur zu verschleppen.

Brüssel. Wie ernst nimmt Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ihre Verantwortung im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes? Die überraschende Absage des für gestern, Donnerstag, geplanten Ratstreffens der europäischen Sozialminister in Luxemburg verleiht dieser Frage europapolitische Brisanz. Denn Hartinger-Kleins Amtskollegen aus neun Mitgliedstaaten werfen ihr in einem gemeinsamen Schreiben indirekt vor, die Arbeiten an der geplanten Europäischen Arbeitsagentur zu verschleppen. Sie bedauerten es, nach der Absage des Ratstreffens keine Gelegenheit zu haben, dieses Dossier zu besprechen, heißt es in dem vom „Luxemburger Tageblatt“ zitierten Brief der Minister von Deutschland, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, Portugal, der Slowakei und Zypern. Sie würden diesem Dossier „große Bedeutung“ zumessen.

Hartinger-Klein hat in einem Brief vom 5. September an die EU-Kommissarin für Arbeit und Soziales, Marianne Thyssen, erklärt, dass es zu wenig Fortschritt in den Gesetzgebungsverfahren gebe, um ein Ratstreffen zu rechtfertigen, bei dem „die Minister einen signifikanten Beitrag leisten können“. Diese Behauptung ist im Lichte des Schreibens ihrer Amtskollegen zumindest stark infrage gestellt.

Dass die Ministerin wenig Gefallen an der Idee hat, eine eigene EU-Agentur zu schaffen, die sich mit der Einhaltung der Bestimmungen über die grenzüberschreitende Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der Union befasst, ist kein Geheimnis. „Österreich braucht das nicht unbedingt“, sagte sie beispielsweise im März vor ihrer ersten Teilnahme an einem Ministerrat in Brüssel. Und vorige Woche kam im Zuge der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des SPÖ-Nationalratsabgeordneten Jörg Leichtfried durch das Sozialministerium zutage, dass sie den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission zur Gründung dieser European Labour Authority (ELA) weitreichend ablehnt. Der Text sei „sehr allgemein gehalten“, zudem sei der „Mehrwert der ELA gegenüber den bereits bestehenden Gremien und Strukturen fraglich“. Auch andere Mitgliedstaaten hätten Bedenken. Österreich bemühe sich auf Ratsarbeitsgruppenebene um „eine Verbesserung des Texts“ und „eine Angleichung der Positionen der Mitgliedstaaten“.

Auch diese Aussagen sind hinterfragbar. Denn als sich die Arbeitsgruppe der zuständigen Diplomaten am 16. Mai über den Vorschlag austauschte, gab es keine wesentlichen Einwände. Die rechtliche Basis und der politische Zusammenhang seien „klar erklärt“ und böten keinen Anlass zu „Subsidiaritätsbedenken“.

Als Kommissionsvorsitzender Jean-Claude Juncker vorige Woche an einer Tagung des Gewerkschaftsbunds in Wien teilnahm, erklärte er, angesprochen auf die Bedenken der Bundesregierung gegen die Schaffung der Arbeitsbehörde: „Ich treffe den Kanzler heute um sieben. Um Viertel nach sieben ist das geregelt.“

„Total demotivierend“

Die Absage des Ministertreffens ist jedenfalls der Findung einer einvernehmlichen Lösung nicht zuträglich. „Das ist total demotivierend für die Ratsarbeitsgruppen“, sagte eine langjährige EU-Diplomatin zur „Presse“. Im Sekretariat des Rats wiederum konnte man auf Nachfrage kein Beispiel für derartige Absagen von fix geplanten Räten nennen.

Kommissarin Thyssen sandte eine dezente Mahnung nach Wien: „Für uns zählt, am Ende der österreichischen Präsidentschaft viele Ergebnisse zu haben. Wenn man diese Arbeiten abschließen will, muss man das jetzt tun.“ Immerhin einen Erfolg konnte sie am Donnerstag verkünden: Die Grenzwerte für krebserregende Stoffe, denen Menschen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, wurden im Einvernehmen mit dem Rat verschärft; auch Dieselabgase sind erstmals von dieser Vorschrift erfasst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2018)

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