Kurz kündigt Plegekonzept bis Jahresende an

APA/HERBERT NEUBAUER
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Zum ersten Jahrestag der Koalition klopfen sich ÖVP und FPÖ selbst auf die Schulter. Die SPÖ äußert Kritik - und legt eine Liste der "gebrochenen Versprechen und bösen Überraschungen" vor.

Die ÖVP hat am Samstag den ersten Jahrestag der Nationalratswahl zelebriert, bei der sie am 15. Oktober 2017 das Kanzleramt zurückerobert hat. Bis Jahresende will Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz ein Lösungskonzept zur Pflege auf dem Tisch, kündigte er an.

Nach dem zuletzt häufigen Vorwurf, die ÖVP-FPÖ-Regierung agiere mit sozialer Kälte, widmete Kurz einen eigenen Teil seiner Ansprache dem "sozialen Netz". "Jeder von uns wird älter, jeder kann in eine Notsituation kommen und jeder, auch wenn er noch so stark ist, ist irgendwann auf Hilfe und Unterstützung angewiesen", meinte Kurz. Das soziale Netz sei eine der größten Errungenschaften Österreichs und sei "unsere christlich-soziale Verantwortung", unterstrich er. Die Stärke jeder Gesellschaft zeige sich darin, wie man mit den Schwächsten umgehe.

Er habe deshalb die Regierungskoordinatoren gebeten, gemeinsam mit der Sozialministerin bis Jahresende ein Konzept vorzulegen, um die Herausforderungen der Pflege zu lösen.

Strache lobt Plus bei Abschiebungen

Die Veranstaltung im Wiener Uniqa Tower bot am Samstag die für die türkise ÖVP übliche, perfekt orchestrierte Inszenierung. Unter dem Motto "Die Veränderung hat begonnen" klopfte sich die Partei ausführlich selbst auf die Schulter: So zählte Klubchef August Wöginger fröhlich die Projekte der Regierung auf, die man bereits umgesetzt habe, und zwar "ohne Streit". Promis wie Vera Russwurm durften den Parteichef als "gutaussenden, jungen Politiker" preisen, der sich "charmant" auch am internationalen Parkett bewege. Über 500 Gäste, darunter Minister und Landeshauptleute sowie 365 Unterstützer, die man symbolisch für die Tage seit der Wahl eingeladen hatte, lauschten der gut halbstündigen Rede des Kanzlers.

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache zog Bilanz. Er wandte sich via Facebook an seine Unterstützer wandte. Die FPÖ sei heute die "treibende Kraft in der Regierung" und könne drei Viertel ihrer Vorhaben umsetzen, so der Parteichef. Er strich insbesondere ein "Plus von über 42 Prozent bei den Abschiebungen" hervor. Sozialmissbrauch werde gestoppt, abgelehnte Asylwerber konsequent abgeschoben.

SPÖ kritisiert Zwölf-Stunden-Tag

Die SPÖ hingegen legte eine Liste der "gebrochenen Versprechen und bösen Überraschungen" vor. Die größte Oppositionspartei kritisiert, dass die Koalition eine Volksabstimmung über das von 881.569 Österreichern unterstützte Rauchverbot ablehnt, obwohl im Wahlkampf verpflichtende Abstimmungen schon bei deutlich weniger Unterstützungen angekündigt wurden. Und anstatt der versprochenen Stärkung der Zivilgesellschaft erhöhe die Regierung den Druck auf Umweltorganisationen. Auch die angekündigte Abschaffung der "kalten Progression" bei der Lohnsteuer vermisst die SPÖ.

Im Gegenzug setzte die Regierung aber eine Reihe von negativen Maßnahmen, von denen im Wahlkampf noch keine Rede gewesen sei, kritisiert die SPÖ. Als Beispiele genannt werden der Zwölf-Stunden-Tag, die angekündigte Kürzung der Mindestsicherung sowie die Kürzung von Förderungen für Langzeitarbeitslose und Lehrlinge: "Beschlüsse, die Millionen Menschen in Österreich negativ betreffen, waren im Wahlkampf überhaupt kein Thema."

Die Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 brachte der ÖVP mit 31,5 Prozent der Stimmen Platz eins und die Rückkehr ins Kanzleramt - gemeinsam mit dem neuen Juniorpartner FPÖ (26 Prozent). Die SPÖ landete mit 26,9 Prozent auf der Oppositionsbank. Die NEOS kamen mit kleinen Zuwächsen auf 5,3 Prozent, die Grünen flogen mit 3,8 Prozent aus dem Nationalrat. Die von den Grünen abgespaltene Liste Pilz schaffte mit 4,4 Prozent knapp den Einzug.

(APA)

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