Rechtspanorama am Juridicum

Schnellere Verfahren? Ja, aber anders

Im Dachgeschoß des Wiener Juridicums wurde über mögliche Verfahrensverbesserungen rund um Großprojekte diskutiert.
Im Dachgeschoß des Wiener Juridicums wurde über mögliche Verfahrensverbesserungen rund um Großprojekte diskutiert.(c) Clemens Fabry
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Die Pläne der Regierung für ein rascheres UVP-Verfahren hält Jurist Ennöckl für verfassungswidrig. Es müsse sich aber etwas ändern, meint Flughafenchef Ofner. Sind mehr Sachverständige die Lösung?

Wien. Großprojekte sollen im Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) automatisch als genehmigt gelten, wenn die Behörde nicht innerhalb eines Jahres darüber entschieden hat. NGOs sollen künftig offenlegen müssen, dass sie mindestens hundert Mitglieder haben, damit sie am UVP-Verfahren noch eine Parteistellung erhalten können. Während die Regierung mit diesen Ideen Großvorhaben schneller möglich machen will, sehen Kritiker die Pläne nicht nur als problematisch, sondern auch als wenig effizient an, wie das letztwöchige Rechtspanorama am Juridicum zeigte.

„Man muss als Umweltrechtler der Regierung fast dankbar sein“, meinte Daniel Ennöckl, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien. Denn durch die Debatte gebe es nun so viel Aufmerksamkeit wie selten noch für das Thema. Inhaltlich hält Ennöckl aber sehr wenig vom Plan der Koalition.

So würde „ein ganz anderer Effekt eintreten“, als die Regierung meine. Denn die Behörde würde mit Blick auf die Jahresfrist künftig dem Projektwerber sofort Verbesserungen auftragen. Und wenn diese nicht rasch geschehen, das Vorhaben ablehnen. Denn nur so könne man Amtshaftungsansprüche von Nachbarn abwenden, die bei einer automatischen Genehmigung des Projekts nach einem Jahr sonst entstehen könnten. Überhaupt würden die Probleme woanders liegen, meinte der Jurist. Nämlich daran, „dass die Sachverständigenapparate in den Ländern ausgedünnt wurden“ und deswegen Gutachten nicht zeitgerecht einlangen. Hier müsste man für eine Beschleunigung sorgen, meinte Ennöckl. Die jetzigen Pläne der Regierung hält er hingegen für verfassungs- und europarechtswidrig.

Momentan sei es aber zu leicht, ein wichtiges Projekt zu blockieren, wandte Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG, ein. Der Flughafen musste lang um die dritte Piste kämpfen, die inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt wurde. „Es genügt Hauptschulwissen, um ein Verfahren zehn Jahre in die Länge zu ziehen“, meinte Ofner. „Es muss ein Neuerungsverbot geben“, forderte er und meinte damit, dass nicht inmitten des Verfahrens wieder neue Einwände erhoben werden können sollen.

Und: „Es kann nicht jeder behaupten, ich bin eine NGO, und in Wahrheit bin ich eine andere“, kritisierte Ofner, der strengere Regeln für Verfahrensbeteiligte forderte. Jetzt könne man zwar grundsätzlich darüber diskutieren, was man ändern müsse und was nicht. „Aber zu sagen, dass alles so bleiben soll wie bisher, ist eine Verkennung des gewaltigen Schadens, der unserer Volkswirtschaft entsteht“, meinte Ofner.

„Rote Linie überschritten“

Leonore Gewessler, Politische Geschäftsführerin von Global 2000, sieht im Regierungsentwurf „eine rote Linie überschritten“. Sie verspricht: „Wir werden uns als Umweltschutz-NGO dagegen zur Wehr setzen.“ So gehe es der Regierung nur darum, eine zusätzliche Hürde für NGOs zu schaffen, wenn sie Mitgliederlisten verlange.

An sich sei das bestehende System in Österreich ein gutes, meinte sie, nun aber werde Rechtsunsicherheit geschaffen. Es stimme nicht, dass UVP-Verfahren lang dauern müssten. So liege die durchschnittliche Dauer bei zehn Monaten. Selbst Großprojekte wie der Wiener Hauptbahnhof seien schnell erledigt worden.

Wenn man den anderen Rednern zuhöre, könne man meinen, die Personen würden auf unterschiedlichen Planeten leben, analysierte Wilhelm Bergthaler, Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Umweltrecht an der Universität Linz. Tatsächlich gebe es auch so etwas wie zwei Welten bei der UVP. In der Industrie sei diese in der Regel kein großes Problem. Aber bei Infrastrukturprojekten könnte die Prüfung viele Jahre dauern, erklärte der Jurist.

Er schlug vor, prozessuale Elemente aus der Zivilprozessordnung (ZPO) in das Genehmigungsverfahren zu übernehmen, sodass man nicht jederzeit etwas Neues einwenden könne. Auch findet Bergthaler es „nicht so problematisch“, wenn man von NGOs verlangt, eine gewisse Zahl an Mitgliedern zu haben, damit diese Parteistellung erhalten. Überhaupt müsse man sicherstellen, dass nur wirklich Betroffene sich in das Verfahren einschalten. „Und dass nicht Bobos, die in der Stadt wohnen, sich auf dem Land einmengen wollen.“ Beim Entwurf der Regierung sieht aber auch Bergthaler noch Verbesserungsbedarf: „Man hat erst den Bihänder ausgepackt“, analysierte er. Nun solle man mit dem Skalpell statt mit dem Bihänder über den Entwurf gehen.

Wer braucht die NGOs?

Warum man in manchen Verfahren Dinge noch einmal prüfen müsse, legte Kathrin Baumann-Stanzer von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik dar. Sie ist Sachverständige für Luftschadstoffe und Klima. „Für uns ist der Stand der Technik ganz wichtig“, erklärte sie. Ebendieser könne sich im Lauf eines Genehmigungsverfahrens auch ändern, und dann müsse man eben erneut prüfen. Man denke hier zum Beispiel nur an die Emissionen von Dieselfahrzeugen, erklärte Baumann-Stanzer.

Wie ist das nun mit der Rolle der NGOs? „Sie können davon ausgehen, dass wir ein Unternehmen sind, das überhaupt kein Problem mit NGOs hat“, erklärte Flughafenchef Ofner. Aber manches sei schon eigenartig. So habe er bei einer Demo gegen die dritte Piste mit einem Demonstranten gesprochen. Der habe ihm erklärt, dass er aus Brüssel komme. Auf die Frage, wie er dann zur Demo gekommen sei, habe der Mann geantwortet: „Na ja, mit dem Flugzeug.“

Ennöckl wiederum strich den Mehrwert durch NGOs hervor. Denn Anrainer könnten im Verfahren nur ihre subjektiven Probleme geltend machen, aber nicht objektive wie den Wasser- oder Klimaschutz. „Darum müssen die Bürgerinitiativen dann zu den NGOs betteln gehen, damit sie sich darum kümmern, weil sie Parteistellung haben“, erklärte Ennöckl. Nun eine bestimmte Zahl von Mitgliedern der NGOs für ihr Einschreiten zu fordern, sei schon „eine kleine Bosheit“. Denn zwei Drittel der NGOs in Österreich würden keine Mitgliederstruktur haben. Auch zum Selbstschutz, damit sie nicht von der falschen Seite übernommen werden können, meinte der Jurist.

„PRESSE“-DISKUSSIONEN

Das Rechtspanorama am Juridicum ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und der „Presse“. Die Diskussion in der Vorwoche stand unter dem Titel „Schnellere Bewilligung für Großprojekte?“. Die Pläne der Regierung wurden dabei als rechtswidrig kritisiert, gleichzeitig aber verdeutlicht, dass schnellere Verfahren durch andere Maßnahmen wie ein Mehr an Sachverständigen möglich gemacht werden könnten.

Der nächste Termin in der Reihe Rechtspanorama am Juridicum ist der 12. November, Thema wird die überfällige Reform des Maßnahmenvollzugs sein.

Das Rechtspanorama an der WU findet am 26. November zum nächsten Mal statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2018)

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