Staatsziel Wirtschaft: Neos wollen nun doch nicht

Clemens Fabry
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Eigentlich haben sich die Regierungsparteien mit den Neos auf den Gesetzestext für das Staatsziel Wirtschaft geeinigt. Doch die Neos machen einen Rückzieher, weil sie gegen das neue UVP-Verfahren sind.

Wien. In der Montagsausgabe berichtete „Die Presse“ darüber, dass das Staatsziel Wirtschaft in der Verfassung in Reichweite ist: Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben sich in monatelangen Verhandlungen mit den Neos auf einen Gesetzestext geeinigt. Doch jetzt ist wieder alles anders: Die für die Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit im Nationalrat kommt nun doch nicht zustande, vorerst jedenfalls. Denn die Neos haben einen Rückzieher gemacht.

Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak, der die Formulierung für das Staatsziel mitverhandelt hatte, ließ am Montag via Austria Presse Agentur wissen: „Der Verdacht liegt nahe, dass der Regierung das Gleichgewicht von Wirtschaft und Umwelt egal ist.“ Nachsatz: „Das müssen wir jetzt klären.“ Die Neos stoßen sich an den mit dem Staatsziel zusammenhängenden Plänen einer neuen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). In bisherigen Verhandlungen hätten die Neos gegenüber der Regierungskoalition dafür gesorgt, dass die Staatszielbestimmung „ein wichtiges Gleichgewicht von Wirtschaft und Umwelt enthält“. Auf der anderen Seite fahre die Regierung bei der Novelle zu den UVP-Verfahren aber über engagierte Bürger und Opposition drüber. Scherak: „Jetzt ist der Punkt erreicht, die Stopptaste zu drücken.“

Es begann mit der dritten Piste

Wie berichtet, möchte die ÖVP das Staatsziel Wirtschaft seit Anfang 2017 im Verfassungsgesetz festgehalten haben. Damals hat das Bundesverwaltungsgericht den Bau der dritten Flughafenpiste untersagt, mit Verweis auf das in der Verfassung verankerte Staatsziel Umweltschutz. Die SPÖ, mit der die ÖVP seinerzeit eine Regierungskoalition bildete, war allerdings gegen das neue Staatsziel.

Unter Türkis-Blau wurde heuer ein neuer Anlauf genommen – gemeinsam mit den Neos, weil man im Parlament für eine Änderung des Verfassungsgesetzes eine Zweidrittelmehrheit benötigt.
Herausgekommen ist eine Formulierung, in der sich die Republik zu einem „nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort“ bekennt. Als Voraussetzung für „Wohlstand und Beschäftigung“. Vonseiten der Neos sind die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Wohlstand“ hineinreklamiert worden. Im ursprünglichen Vorschlag des ÖVP-Wirtschaftsministeriums war davon keine Rede.

ÖVP ist konsterniert

Dass die Neos sich nun doch davon distanzieren, sorgt in der ÖVP für Verwunderung. Bei den Verhandlungen über den Abänderungsantrag, der am kommenden Mittwoch im Verfassungsausschuss diskutiert werden soll, sei man den Neos immerhin sehr entgegengekommen. „Wir haben gemeinsam daran gearbeitet“, sagt ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger, „und einen vernünftigen Kompromiss erzielt.“ Ottenschläger: „Dass dieser Kompromiss mit einem anderen Thema junktimiert wird, verstehe ich nicht.“

Am Montagvormittag hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace aufgrund des „Presse“-Berichts noch von einem „Kniefall der Neos vor der Bundesregierung in Sachen Staatsziel“ gesprochen. Umweltorganisationen sind gegen das neue Staatsziel, weil sie befürchten, dass der Umweltschutz, der bereits als Staatsziel definiert ist, dadurch ins Hintertreffen geraten könnte. (kor./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2018)

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