Fall Khashoggi: Polizei fand Beweise für Mord im Konsulat

Mordmaßlicher Schauplatz eines Mordes: das saudische Generalkonsulat in Istanbul
Mordmaßlicher Schauplatz eines Mordes: das saudische Generalkonsulat in IstanbulREUTERS
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Ein türkischer Behördenvertreter soll der Nachrichtenagentur AP von Anhaltspunkten für den Vorfall im saudischen Konsulat erzählt haben. Der saudische Konsul verlässt Istanbul.

Vor mehr als zwei Wochen verschwand der saudische Journalist Jamal Khashoggi unter mysteriösen Umständen. Zu dem Fall gibt es viele offene Fragen. Ein hochrangiger türkischer Behördenvertreter teilte am Dienstag mit, dass die Polizei einen "gewissen Beweis" für die Ermordung des Journalisten im saudischen Konsulat in Istanbul bei der Durchsuchung dort gefunden hat. Das twitterte die Agentur AP am Dienstag.

Inmitten der Affäre hat der Konsul Saudiarabiens am Dienstag Istanbul verlassen und ist laut Medienberichten nach Riad abgeflogen. Die türkische Zeitung "Haber-Türk" meldete, Mohammed al-Otaibi sei um 17 Uhr mit einer Linienmaschine in die saudiarabische Hauptstadt geflogen.

Nach dem Verschwinden von Khashoggi wächst international der Druck auf Saudiarabien, Licht in den mysteriösen Fall zu bringen. US-Außenminister Mike Pompeo kam am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zu Krisentreffen zusammen. Pompeo schlug hier aber auffallend sanfte Töne an. Türkische und saudische Ermittler schlossen zugleich eine neunstündige Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul ab.

Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass Khashoggi dort von einem aus Saudiarabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando getötet worden ist. Sie sollen auch im Besitz kompromittierender Ton- und Videoaufnahmen sein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, man schaue sich mögliche Spuren "giftiger Substanzen" genauer an. Diese seien überstrichen worden.

UNO fordert Aufhebung von Immunität

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, verlangte die Aufhebung der Immunität von allen saudischen Diplomaten in der Türkei, die Ermittler befragen wollen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) machte sich in der Affäre für eine internationale Abstimmung stark. "Wir wollen wissen, was da geschehen ist", erklärte er in Paris. "Wenn wir das wissen, werden wir daraus unsere Schlüsse ziehen." Er habe in dem Fall auch mit Pompeo telefoniert.

Khashoggi war am 2. Oktober in das saudische Konsulat gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Seine türkische Verlobte wartete jedoch vor dem Gebäude über Stunden vergeblich darauf, dass der Journalist wieder herauskommt. Khashoggi lebte seit mehr als einem Jahr im selbst gewählten US-Exil und schrieb unter anderem für die Zeitung "Washington Post" regimekritische Artikel über Saudi-Arabien.

Saudiarabien vor Strategiewechsel?

Saudiarabien bestreitet jede Verwicklung in den Fall. Mehrere US-Medien berichteten jedoch, das Königreich bereite eine Erklärung vor. Darin soll es unter anderem heißen, ein Verhör mit Khashoggi sei schiefgegangen. Dem Sender CNN zufolge soll es einen Plan gegeben haben, den Journalisten zu entführen, aber nicht zu töten. Eine solche Erklärung wäre der Versuch, den Druck von Riad zu nehmen.

Nach der Durchsuchung des Konsulats nahmen Ermittler Proben aus dem Garten mit, wie lokale Medien meldeten. Zudem seien zwei Müllwagen ins Konsulat gefahren - weshalb, blieb zunächst unklar. Am Nachmittag sollte auch die Residenz des Konsulats durchsucht werden.

US-Präsident Donald Trump hatte seinen Außenminister nach Riad geschickt, um die Aufklärung des Falles voranzutreiben. Möglicherweise wird Pompeo in die Türkei weiterreisen. Nach Pompeos Gesprächen in Riad äußerte sich das US-Außenministerium betont milde. Pompeo habe dem saudischen König für die starke Partnerschaft mit den USA gedankt - und für dessen Einsatz für eine gründliche, transparente und schnelle Aufklärung im Fall Khashoggi.

Enge US-Beziehungen mit Saudiarabien

Für das Weiße Haus steht in dieser Affäre viel auf dem Spiel, da sich Trump in seiner Nahost-Politik sehr stark auf das sunnitische Saudiarabien stützt. Seit Amtsantritt des US-Präsidenten hat sich das zuvor abgekühlte Verhältnis zwischen den beiden Partnern deutlich verbessert. Die USA und Saudiarabien sehen vor allem im schiitischen Iran einen gemeinsamen Feind, den sie Hand in Hand bekämpfen wollen. Die allererste Auslandsreise führte Trump im Mai 2017 nach Riad, wo ihm die saudische Führung einen fulminanten Empfang bereitete.

Dort verkündete der US-Präsident auch einen 110 Milliarden Dollar schweren Rüstungsdeal mit dem islamisch-konservativen Königreich. Trump will dieses Geschäft nicht gefährden, um "keinen Jobs zu schaden". Zugleich verschärfte er aber seinen Ton gegenüber Riad und fordert Antworten auf offene Fragen - will aber offensichtlich dennoch die guten Beziehungen zur Führung in Riad nicht aufs Spiel setzen. Es habe sich für ihn so angehört, als könne Khashoggi eher "Opfer boshafter Killer" geworden sein, ließ er wissen. Damit machte Trump - bemerkenswert früh - deutlich, dass er nicht von der Theorie eines staatlich beauftragten Mörderkommandos ausgeht.

Parallel zu Pompeos Riad-Besuch reagierte der US-Präsident auch auf Berichte über finanzielle Verbindungen des Trump-Konzerns mit Saudiarabien. Er habe keinerlei finanzielle Interessen mit Blick auf das Land, schrieb Trump. Das alles sei nichts als "fake news".

Ging "MbS" zu weit?

Die Augen richten sich in der Affäre insbesondere auf den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, kurz "MbS" genannt. Der 33 Jahre alte Enkel des Königs ist der starke Mann des Landes und gilt als künftiger Herrscher. Während er einerseits Reformen vorantreibt und das Land gesellschaftlich liberalisiert, geht er mit härtester Hand gegen Kritiker vor. Auch Khashoggi kritisierte, dass die Führung in Riad zunehmend autoritärer wird. Enge Beziehungen pflegt MbS zu Trumps Schwiegersohn und Nahost-Beauftragten Jared Kushner.

Zugleich ist das Verhältnis zwischen der Türkei und Saudiarabien angespannt. Die Regierung in Ankara ging zwar diskret mit ihren Erkenntnissen um, lässt aber Informationen über den angeblichen Mord scheibchenweise und über anonyme Zeugen an die US-Regierung und Medien weitergegeben. Wieso, dazu gibt es vielfältige Vermutungen.

In der derzeitigen verzweifelten wirtschaftliche Lage könnte die Türkei darauf hoffen, dass der reiche Ölstaat Saudiarabien dem Land mit Investitionen oder niedrig verzinsten Darlehen hilft. Manche Beobachter mutmaßen, die Türkei fürchte, es sich mit Riad zu verscherzen. Noch immer ist unklar, aus welcher Quelle Informationen zu dem Fall durchsickern. Mehrfach tauchte die Vermutung auf, die Türkei könnte das Konsulat verwanzt haben. Das brächte die Regierung nicht nur gegenüber der saudischen Regierung in Schwierigkeiten.

(APA/dpa)

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