Der CSU-Chef zeigt sich ganz entspannt: „Ich fürchte keine Personaldiskussion.“
Wien/Berlin. Vor allem in eigener Mission, in Sachen politischem Überlebenskampf, pendelt Horst Seehofer derzeit zwischen München und Berlin. Und es macht dem CSU-Chef sichtlich Spaß, wie er in der Bundespressekonferenz in Berlin betont. Er feixt, er scherzt, er setzt sein schelmisches Seehofer-Grinsen auf. Kein Anzeichen von Erschöpfung oder Resignation. Nach der deftigen Wählerwatsche vom Sonntag lebt der 69-Jährige, der zuletzt ab- und totgeschrieben wurde, geradezu auf.
Am Montag schlug sich Seehofer mit internen Kritikern wie den Ex-CSU-Chefs Theo Waigel oder Erwin Huber im Parteivorstand im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus herum, heute wird er mit den bayerischen Parteien in München mit Ausnahme der AfD über Koalitionsgespräche sondieren. Gestern suchte er indessen in seiner Doppelfunktion als Innenminister und CSU-Vorsitzender den Schlagabtausch mit der Hauptstadtpresse.
„Seehofer-Bashing“ stand erneut auf dem Programm, wie der Koalitionspartner Angela Merkels anmerkte. Nur dass das vermeintliche Opfer die Veranstaltung in eine Soloshow umfunktionierte und die Lacher auf seiner Seite hatte. „Ich bin kein Teilzeitbeschäftigter“, sagte Seehofer, der sich in Berlin ein Superministerium zurechtschneidern hatte lassen. „Ich habe ein großes Werk zu verrichten“, hatte er vor der Wahl stets erklärt. Ein Indiz dafür, dass er nicht gedenkt, sich rasch aufs Altenteil zurückzuziehen. Inhaltliche Kritik schmetterte er ab, in puncto Stil und Ton gelobte er Besserung.
In Berlin wünschen viele CDU-Politiker den Abgang des CSU-Chefs herbei, den sie als notorischen Störenfried in der Koalition ansehen. Zwei CDU-Promis, Daniel Günther und Norbert Röttgen, legten ihm sogar offen personelle Konsequenzen nahe – und obendrein auch Markus Söder und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Auch aus der SPD richtet sich der Frust gegen Seehofer. Thomas Oppermann von der SPD, einer der Bundestagsvizepräsidenten, bezeichnete ihn als Krawallmacher. Als Innenminister sei er eine „absolute Fehlbesetzung“.
Von der geballten Kritik und den miserablen persönlichen Umfragedaten lässt sich ein Horst Seehofer indes nicht beirren. Er hält eisern an der Strategie fest, die er mit Markus Söder, dem Ministerpräsidenten und langjährigen Erzrivalen, ausgeheckt hat: zuerst Regierungsbildung in München, danach eine interne Analyse der Wahlschlappe – spätestens im Dezember. Verantwortung und Stabilität lauten die Zauberworte des CSU-Spitzenduos. So soll die Führungsdiskussion im Zaum gehalten und aufschoben werden – in der Hoffnung, dass der Unmut bis zum Advent verraucht. Der CSU-Kreisverband im fränkischen Kronach forderte dennoch bereits explizit Seehofers Rücktritt, sein Bezirk Oberbayern einen Sonderparteitag.
„Jeder ist ersetzbar“
„Ich fürchte keine Personaldiskussion“, beteuert Seehofer in gespielter Demut. „Wer weiß, wie es ausgeht?“ Man könne aber nicht zur Tagesordnung übergehen. „Jeder ist ersetzbar. Ich schon allemal.“ Ein wenig gekränkt zeigte er sich angesichts des medialen Dauerfeuers, etwa der „Spiegel“-Titelstory „Der Gefährder“. Ansonsten gab sich der CSU-Chef völlig entspannt. Er plädierte für eine Debattenkultur – sprich Streitkultur. „Unsere Grundlage ist das christliche Menschenbild.“ Und er sprach über die Wiedererlangung der Großstadt- und Umweltkompetenz, die die Grünen für sich reklamiert haben – und die Beziehung zur Kanzlerin. „Ich bin froh, wenn ich mich zu Hause durchsetze.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2018)