Mord im Konsulat: Was ist über das Verschwinden von Khashoggi bekannt?

Während Saudiarabien zunächst beteuerte, nichts über den Verbleib des Journalisten zu wissen, wurde in türkischen Medien von Agenten, Koffern und einem Forensikexperten berichtet. Die Regierung will gar Videoaufnahmen der Tötung haben, hält diese aber zurück.

Istanbul/Wien. Ein Mann betritt das saudische Konsulat in der türkischen Metropole Istanbul und kommt nie wieder heraus – der Beginn einer heiklen diplomatischen Affäre. Denn jener Mann, der verschwand, ist der bekannte saudische Journalist und Regierungskritiker Jamal Khashoggi. Auch zwei Wochen später gab es zunächst keine veröffentlichten Beweise für einen Mordfall.

1 Khashoggis Konsulatsbesuch: Welche Fakten gibt es?

Khashoggi betrat am 2. Oktober das saudiarabische Konsulat in Istanbul, weil er Scheidungspapiere benötigte, um seine türkische Verlobte Hatice Cengiz heiraten zu können. Die Papiere hatte er schon Tage zuvor beantragt. Die Türkei veröffentlichte Bilder einer Überwachungskamera, auf denen Khashoggi das Konsulat betritt – laut Zeitstempel kurz vor 13:15 Uhr. Seine Verlobte wartete nach eigenen Angaben bis ein Uhr nachts vor dem Konsulat – vergebens. Saudiarabien behauptete bis dato, der Journalist habe das Konsulat unbeschadet wieder verlassen, legte aber keine Beweise vor. Die Überwachungskameras seien an diesem Tag ausgefallen.

2 Welche Indizien deuten auf den Tod des Journalisten hin?

Die Türkei ist nach eigenen Angaben in Besitz von Ton- und Videoaufnahmen, die belegen sollen, dass Khashoggi gefoltert und ermordet wurde. Angeblich um Geheimdienstquellen und -methoden zu schützen, zögert man mit der Veröffentlichung, ließen die Behörden durchblicken. In türkischen Medien wurden indes angebliche Beweise präsentiert. Da wären etwa jene 15 Männer, die am Tag von Khashoggis Verschwinden am Flughafen in Istanbul gelandet waren – in Privatjets, die von einer dem saudischen Königshaus nahen Firma gechartert worden sein sollen.

Türkische Medien zeigten Bilder der angeblichen Agenten bei der Passkontrolle am Flughafen. Unter ihnen befand sich laut der Zeitung „Sabah“ auch ein Forensikexperte, der für die Zerstückelung von Khashoggis Leiche verantwortlich gewesen sein soll. Der arabische Sender „al-Arabiya“ erklärte hingegen, bei den Männern handle es sich um saudische Besucher auf der Heimreise.

Für Aufsehen sorgte auch ein Bericht, wonach Khashoggi vor Betreten des Konsulats die Aufnahmefunktion seiner Apple Watch aktiviert habe. Sein damit synchronisiertes Handy habe er seiner Verlobten gegeben. Das ergibt Sinn, da Mobiltelefone im Konsulat verboten sind. Die Geräusche und Gespräche seien während der Exekution aufgezeichnet und in Khashoggis Onlinespeicher hochgeladen worden. Allerdings gibt es technische Zweifel: Für eine Bluetooth-Verbindung wäre die Distanz zwischen Handy und Uhr zu groß – und einen türkischen Mobilfunkanbieter, der eine Datenübertragung über das Handynetz ermöglicht, gibt es nicht.

Türkische Medien berichteten außerdem, dass alle türkischen Mitarbeiter des Konsulats gebeten worden seien, sich den 2. Oktober wegen eines diplomatischen Treffens im Konsulat freizunehmen.

3 Ist das Verschwinden von Khashoggi ein Einzelfall?

Nein. Der britische Sender BBC dokumentierte etwa vergangenes Jahr drei Fälle, in denen kritische Prinzen des weitverzweigten Königshauses verschwanden. Und erst Ende September soll versucht worden sein, den in Düsseldorf lebenden Prinzen Khalid bin Farhan al-Saud in die saudische Botschaft in Ägypten zu locken. Bin Farhan erzählte der Deutschen Presseagentur (DPA), Botschaftsmitarbeiter hätten Verwandten einen Scheck über „mehrere Millionen“ angeboten, den der Prinz nur in der saudischen Botschaft in Kairo abzuholen brauche. Laut DPA fühlte das Königreich vergangenes Jahr bei den deutschen Behörden vor, ob seine Auslieferung möglich wäre.

Ähnliches berichtete die „Washington Post“ zum Fall Khashoggi: In abgehörten Gesprächen saudischer Offizieller soll die Rede davon gewesen sein, den Journalisten aus seinem Exil im US-Bundesstaat Virginia ins Königreich zu locken, um ihn festzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2018)

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