Grundeinkommen für Arme: Italien will zehn Mrd. Euro locker machen

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Viele Experten in Rom bezweifeln, ob die geplante expansive Wirtschaftspolitik des Landes das Wachstum ankurbeln wird.

Italiens Regierung hat deutlich höhere Neuverschuldungsziele beschlossen. Mit einem Defizit von 2,4 Prozent 2019 will die Regierung aus Lega und Fünf Sterne-Bewegung die Wahlversprechen halten, mit denen die beiden Parteien bei den Parlamentswahlen im März stark an Stimmen zulegen konnten. Die Rückkehr zu einer expansiven Wirtschaftspolitik droht dem Land teuer zu stehen kommen. Das Defizit 2019 wird laut den Plänen der Regierung im kommenden Jahr 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen, das liegt immerhin das Dreifache über den 0,8 Prozent, mit denen die Vorgängerregierung gerechnet hatte. 2020 soll das Defizit auf 2,1 Prozent und 2021 auf 1,8 Prozent sinken.

Die wachsenden Ausgaben unter anderem für wirtschaftsfördernde Maßnahmen sollen zu einem Wachstum des BIP beitragen, was sich laut den Regierungsprognosen positiv auf die Verschuldung auswirken wird. Italien, nach Griechenland das meistverschuldete EU-Land, rechnet 2019 mit einem Defizit von 130 Prozent, das 2020 auf 128,1 Prozent und 2021 auf 126,7 Prozent sinken sollte. Ob die expansiven Maßnahmen tatsächlich zum Wirtschaftswachstum und zum Schuldenabbau beitragen werden, bezweifeln viele Experten in Rom stark. "Mehr Ausgaben und Defizit. Italien kehrt mit seinen Haushaltsplänen zurück zur Vergangenheit", kommentiert Carlo Cottarelli, ehemaliger Direktor beim Internationalen Währungsfonds (IWF).

Um die kostspieligen Wahlversprechen zu halten, plant die Regierung von Premier Giuseppe Conte ein größeres Defizit. 15 Milliarden Euro sollen dank einer Teil-Steueramnestie und dank Ausgabenkürzungen erwirtschaftet werden. 15 Milliarden Euro will Italien für die öffentliche Infrastruktur ausgeben, die den Wirtschaftsmotor kräftiger ankurbeln sollen. So soll auch für die Sicherheit von Straßen, Brücken, Bahnlinien und öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Krankenhäuser mehr ausgegeben werden.

Wahlkampfversprechen

Besonders umstritten ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für Arme. Diese Mindestsicherung ist ein Eckpfeiler im politischen Programm der Fünf Sterne-Bewegung, die mit der rechten Lega Italien seit fast fünf Monaten regiert. Damit ist auch eine Erhöhung der Mindestrenten von 500 Euro auf 780 Euro im Monat verbunden und eine ebenso hohe soziale Unterstützung für Personen, die unter der Armutsgrenze leben. Zur Finanzierung des Mindesteinkommens, von dem fünf Millionen Italiener profitieren sollen, wird die Regierung zehn Milliarden Euro locker machen.

Kostspielig sind auch die Pensionspläne der Regierung Conte. Das Kabinett plant, eine unpopuläre Pensionsreform aus dem Jahr 2012 rückgängig zu machen, mit der das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre erhöht worden war. Die Regierung will diese Reform mit der sogenannten "Quote 100" ersetzen. Italiener dürfen demnach in den Ruhestand treten, wenn die Summe ihres Alters und ihrer Beitragsjahre 100 ergibt. Ein Italiener im Alter von 62 kann demnach mit 38 Beitragsjahren in den Ruhestand treten. Die Maßnahme sollte circa acht Milliarden Euro pro Jahr kosten. Der Präsident der italienische Fürsorgeanstalt INPS/NISF, Tito Boeri, ist pessimistisch: Die Pensionspläne der Regierung werden den Staatskassen zusätzliche 140 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren kosten.

Die Lega hatte im Wahlkampf einen einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent für alle Privatpersonen und Firmen versprochen. Vorerst sollen nun aber nur Selbstständige mit niedrigem Einkommen und Kleinunternehmen in diesen Genuss kommen. Die Maßnahme soll den Staatskassen 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Die Regierung will in den nächsten Jahren schrittweise den Steuerdruck auch für Privatpersonen drücken.

(APA)

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