Rom wird zum Reizwort

Italienische Banken stehen an der Börse gehörig unter Druck.
Italienische Banken stehen an der Börse gehörig unter Druck.REUTERS
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Der Streit rund um den italienischen Haushalt ruft die europäische Elite auf den Plan. Selbst die Europäische Notenbank könnte wegen der Krise ihre Geldpolitik weiter locker halten.

Wien. Italien hält die Finanzmärkte derzeit fest im Bann – und ist selbst schuld daran. Der seit Längerem schwelende Haushaltsstreit zwischen der Regierung in Rom und der EU-Kommission treibt nicht nur den Marktteilnehmern Sorgenfalten auf die Stirn. Auch die politische Elite wird zusehends nervös.

Angefacht wurde die jüngste Eskalation von einem Brief, den EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Donnerstag an die italienische Regierung versandte. Darin warf er Rom gravierende Verstöße gegen EU-Regeln vor. Als Auslöser gilt der Haushaltsentwurf der italienischen Regierung für das kommende Jahr. Zur Finanzierung kostspieliger Wahlversprechen plant die Koalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega eine höhere Neuverschuldung. Konkret soll das Defizit 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen – das wäre dreimal so hoch wie bisher geplant.

Vonseiten der EU-Partner kam am Freitag der deutliche Aufruf, Rom Verstöße gegen die europäischen Vorgaben nicht durchgehen zu lassen. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz – Österreich hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne – sagte, dass Italien sich selbst und andere in Gefahr bringe, wenn es sich nicht an Budgetvorgaben halte. Bis Montag hat Rom nun Zeit, auf die Bedenken aus Brüssel zu reagieren.

Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, selbst Italiener, sah sich genötigt, zur Causa prima, wenn auch nur indirekt, Stellung zu beziehen. Es sei nicht erwiesen, dass Regelverstöße zu Wohlstand führten, sagte Draghi laut einem Insider beim EU-Gipfel am Donnerstag.

Das politische Hickhack ist bereits negativ auf den Finanzmärkten aufgeschlagen. Die Ratingagentur Fitch warnte, dass die Schuldenbewertungen des Landes zunehmend unter Druck gerieten. Eine Herabstufung würde sehr wahrscheinlich auch schlechtere Ratings für italienische Kreditinstitute bedeuten.

Immerhin halten die Institute des Landes mehr als 370 Mrd. Euro solcher Titel in ihren Büchern. Italienische Bankaktien wurden denn auch in hohem Bogen aus den Depots der Anleger geworfen. Die Aktien von Unicredit, Intesa Sanpaolo, Ubi Banca und Mediobanca gaben um bis zu sechs Prozent nach. Italien gilt als einer der größten Bondmärkte der Welt. Schon im August hatte Fitch seinen Ausblick für Italien auf Negativ gesetzt. Moody's und Standard & Poor's kündigten die Überprüfung ihrer Bonitätseinschätzung für Ende Oktober an. Bisher wird das Land nur noch zwei Stufen über Ramschniveau gesehen. Für viele Großinvestoren ist entscheidend, wie Anleihen eingestuft werden, da sie nur in sichere Titel investieren dürfen.

Gegen den Ausfall versichern

Auch wenn sich das Rating Italiens nach wie vor nicht verändert hat, die Rendite für italienische Bonds mit zehnjähriger Laufzeit zeigt bereits, wie Anleger über das Land denken. Diese liegt mittlerweile bei 3,7 Prozent. Das ist ein Plus von 80 Prozent im Vergleich zum Jahresanfang und der höchste Wert seit Februar 2014. Nur Griechenland steht an den Bondmärkten der Eurozone noch schlechter da. Die Lage ist offenbar auch schon so dramatisch, dass Nachrichtenagenturen Meldungen verbreiten, wie teuer die Absicherung gegen einen Zahlungsausfall Italiens geworden ist. 292.000 Euro kostet dies für ein zehn Mio. Euro schweres Anleihenpaket.

Die Krise in Italien könnte auch dazu führen, dass die Europäische Zentralbank ihre Zinsen erst etwas später im kommenden Jahr erhöht. Je billiger das Geld bleibt, desto besser für die Staaten. Denn sie können sich weiterhin billig verschulden. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2018)

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