Plastik im Meer

Das Schicksal von Mikroplastik in den Ozeanen ist größtenteils unbekannt. Zumindest ein Teil davon sinkt in die Tiefsee ab – was Folgen hat.

Dass ein Teil unserer Plastikabfälle im Meer landet, ist – leider – eine Tatsache. Und ebenso ist klar, dass dieses Problem von Jahr zu Jahr größer wird; daran ändern auch medienwirksam gestartete Säuberungsaktionen nur wenig. Laut dem kürzlich von der Weltbank veröffentlichten Bericht „What a Waste 2.0“ sind im Jahr 2016 weltweit 242 Millionen Tonnen Plastikmüll angefallen; laut Schätzungen werden davon jährlich 4,8 bis 12,7 Mio. Tonnen ins Meer gespült.

Durch die Einwirkung von Wellen, Wetter und UV-Strahlung wird das Material immer weiter zerkleinert. Was dann mit diesem Mikroplastik geschieht, ist größtenteils unbekannt. Ein Teil wird von Meereslebewesen besiedelt oder gefressen, ein Teil sammelt sich in großen Meeresstrudeln („garbage patches“) an, ein Teil (manche Forscher beziffern ihn mit der Hälfte) sinkt auf den Meeresgrund ab. Vor einem Jahr stießen japanische Forscher sogar im Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Erdkruste, auf Reste eines Plastiksackerls.

Kunststoffe werden nur in sehr langen Zeiträumen – von Jahrzehnten bis Jahrhunderten – biologisch abgebaut. Das bedeutet, dass sich das Mikroplastik in der Natur anreichert. Dystopische Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Ozeanen schwimmen wird. Schon heute können in jeder dritten Robbe, in fast jedem zweiten Seevogel und in jeder Meeresschildkröte Plastikpartikel nachgewiesen werden.

Man weiß praktisch nichts darüber, ob und, wenn ja, wie schädlich Mikroplastik für die Natur und im Endeffekt über die Nahrungskette auch für uns Menschen ist. Eine Gruppe französischer und deutscher Forscher konnte nun einen ersten klaren Effekt nachweisen: Tiefseekorallen nehmen Mikroplastik auf und scheiden zwar den allergrößten Teil davon auch wieder aus. Doch der kleine im Körper verbleibende Teil führt mit der Zeit dazu, dass die Kalkbildung verringert wird – was mittelfristig die dreidimensionale Stabilität von Korallenriffen verringert (Scientific Reports, 17.10.).

Auf der anderen Seite werden immer mehr Bakterienarten mit Enzymen entdeckt, die Kunststoffe abbauen können. Manche Forscher vermuten, dass diese Mikroorganismen wegen der steigenden Mikroplastikmengen einen evolutionären Vorteil bekommen könnten, wodurch das Plastik zwar abgebaut würde, aber gleichzeitig immer mehr Abbauprodukte als eine Art Dünger für Tiefseelebewesen verfügbar würden. Mit kaum abschätzbaren ökologischen Konsequenzen.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Trinkhalme aus Kunststoff zählen zu jenen Produkten, die am häufigsten an europäischen Stränden gefunden wurden. Sie tragen zur Verschmutzung der Meere bei. Gemeinsam mit weiteren Wegwerfprodukten sollen sie ab 2021 verboten werden.
Europa

Ausgetrunken und weggeworfen

Wie das Europaparlament dazu kommt, sich für das Verbot bestimmter Wegwerfprodukte auszusprechen. Die Geschichte einer gut gemeinten EU-Regel und ihrer Gegner.
Archivbild: Plastikbecher auf einem Strand in Griechenland
Europa

EU will Einweg-Plastik verbieten: Drei Fragen und Antworten

Heute hat das EU-Parlament für ein Verkaufsverbot von Einweg-Kunststoffartikeln gestimmt. Welche Produkte auf der Liste stehen - und warum sie verboten werden.
Bis zu 8O Prozent des Plastikmülls im Meer stammen aus Asien. Hier eine Aufnahme von den Philippinen nahe Manila.
Weltjournal

Müllkippe Meer und der Traum vom plastikfreien Ozean

In den Meeren wird es bald mehrPlastikmüllals Fische geben, schätzen Forscher. Kunststoff-Partikel sind bis in die Antarktis nachweisbar. Um die Verschmutzung zu stoppen, möchte die EU Wattestäbchen und Co. verbieten. Ein Niederländer will im September seine Vision verwirklichen und riesige Müllteppiche aus dem Pazifik fischen. Sind die Weltmeere noch zu retten? Ein Zustandsbericht.
Wissenschaft

Wie gefährlich ist Plastik im Kot?

Wiener Forscher haben erstmals Mikroplastik in menschlichem Stuhl gefunden. Was das genau bedeutet, ist allerdings völlig unbekannt.
Forschungsfrage

Plastik, Papier, Bio: Welches Sackerl ist das ökologischste?

Zwölf Minuten ist eine Plastiktasche im Schnitt in Verwendung. Bei der Suche nach Alternativen rücken Herstellungsprozesse ins Zentrum.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.