Fall Khashoggi: Saudi-Arabien liefert neue Version

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Der regierungskritische Journalist Jamal Khashoggi sei durch einen Würgegriff gestorben. Die Leiche sei in einen Teppich eingewickelt und in einem Auto des Konsulats weggeschafft worden.

Das international unter Druck geratene Saudi-Arabien hat im Fall des getöteten regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi (Chaschoggi) weitere Details in Umlauf gebracht. Ein hochrangiger Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, der 59-Jährige sei durch einen Würgegriff gestorben.

Zunächst hatte Saudi-Arabien bestritten, für das Verschwinden Khashoggis verantwortlich zu sein, an diesem Wochenende aber bestätigt, dass er bei einem Faustkampf im saudischen Konsulat in Istanbul ums Leben gekommen ist. Der Regierungsvertreter sagte, es seien intern zunächst falsche Informationen verbreitet worden. Als dies klargeworden sei, habe es sofort eine interne Untersuchung gegeben.

Der neuen Version zufolge wollte die saudische Regierung Khashoggi überzeugen, in das Königreich zurückzukehren. Der "Washington Post"-Kolumnist war vor einem Jahr aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen in die USA gezogen. Er wollte am 2. Oktober in dem Konsulat Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit abholen. Seither galt er als vermisst. Der Plan sei gewesen, Khashoggi notfalls in einem Versteck außerhalb Istanbuls festzuhalten, so der saudische Regierungsvertreter. Er sollte aber "nach einer gewissen Zeit" wieder freigelassen werden, sollte er nicht nach Saudi-Arabien zurückkehren wollen.

Das nach Istanbul gesendete Team habe ihre Anweisungen überschritten und schnell Gewalt angewendet. Khashoggi habe sich widersetzt, er sei deswegen in einen Würgegriff genommen worden. "Sie haben versucht zu verhindern, dass er schreit." Dabei sei der Journalist gestorben. "Es war nicht die Absicht, ihn zu töten." Die Leiche sei in einen Teppich eingewickelt und in einem Auto des Konsulats weggeschafft worden. Sie sei an einen lokalen Helfer übergeben worden. Es werde versucht herauszufinden, wo sie entsorgt worden sei. Die türkischen Behörden suchen unter anderem in einem Waldstück bei Istanbul nach den sterblichen Überresten.

Saudi-Arabien unter Druck

Der Westen erhöht indes den Druck auf Saudi-Arabien. Die bisherigen Erklärungen aus Riad  seien nicht ausreichend, erklärten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas in einer gemeinsamen Stellungnahme. Deutschland erwarte von Saudi-Arabien Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe. "Bisher haben wir deutlich mehr Fragen als Antworten", sagte Maas am Samstagabend in der ARD und stellte Waffenlieferungen in das Königreich vorerst infrage. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte wie Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. US-Präsident Donald Trump sagte, er sei nicht zufrieden. Saudi-Arabien habe einen ersten großen Schritt getan. "Aber ich will die Antwort bekommen." In einer ersten Reaktion hatte er die Darstellung Saudi-Arabiens als glaubhaft beschrieben.

Zunächst deutete jedoch nichts daraufhin, dass Saudi-Arabien weitere Erläuterungen abgeben würde. Auch zum Verbleib der Leiche des Journalisten wurden keine Angaben gemacht. Die türkischen Behörden suchen unter anderem in einem Waldstück bei Istanbul nach den sterblichen Überresten. Aus türkischen Regierungskreisen hieß es, die Ermittler würden über kurz oder lang den Leichnam finden. Ein Sprecher der regierenden AKP sagte, man werde keine Vertuschung durchgehen lassen.

Nach wochenlangen Dementi hatte Saudi-Arabien am Samstag eingestanden, dass der "Washington Post"-Kolumnist im Konsulat des Königreichs in Istanbul getötet wurde. Er sei bei einem Kampf mit Personen ums Leben gekommen, die er in dem Konsulat getroffen habe. Khashoggi, der zuletzt in den USA lebte, wollte am 2. Oktober im Konsulat Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit holen. Seither galt er als vermisst. Die türkischen Behörden gingen davon aus, dass er in dem Konsulat getötet und seine Leiche fortgeschafft wurde. Saudi-Arabien hatte diese Darstellung zunächst zurückgewiesen und erklärt, der Journalist habe das Konsulat kurz nach seinem Besuch wieder verlassen.

Es hagelt Absagen

Der Fall hat nicht nur das politische Verhältnis zwischen dem Westen und Saudi-Arabien schwer belastet, sondern auch die wirtschaftlichen Beziehungen. Immer mehr Größen aus Wirtschaft und Politik sagten in den vergangenen Tagen ihre Teilnahme an einer anstehenden Investorenkonferenz in Riad ab, darunter US-Finanzminister Steven Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde. Auch die Chefs von Großbanken wie Credit Suisse oder JP Morgan reisen nicht nach Saudi-Arabien. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte ebenso ab wie Airbus-Rüstungschef Dirk Hoke. Der Medienkonzern Fox Business Network zog sich als Sponsor der Veranstaltung zurück. Am Sonntag erklärte auch die neuseeländische Regierung, keine Vertreter zu der Veranstaltung zu schicken.

Maas sagte in den ARD-"Tagesthemen", die Absagen seien ein richtiges Signal. "Ich würde zurzeit ganz sicher nicht an einer Veranstaltung in Riad teilnehmen." Ob auch Siemens-Chef Joe Kaeser diesem Beispiel folgen solle, müsse dieser selber entscheiden. Maas ergänzte, solange die Untersuchungen andauerten und solange nicht klar sei, "was da geschehen ist, gibt es keine Grundlage, auf der positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind". SPD-Chefin Andrea Nahles sagte der "Bild am Sonntag": "Nach einem derart unfassbaren Vorgang gehört das Verhältnis zu Saudi-Arabien grundsätzlich auf den Prüfstand." Es müsse "spürbare Konsequenzen" geben.

Trump hatte vor der Bestätigung von Chaschoggis Tod am Freitag nicht ausgeschlossen, dass Sanktionen verhängt werden könnten, auch wenn Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter sei. Nachdem Saudi-Arabien Chaschoggis Tod dann doch einräumte, sagte er während eines Aufenthalts in Arizona zu Journalisten, er glaube nicht, dass die Führung in Riad ihn angelogen habe. Was passiert sei, sei aber inakzeptabel. Er werde mit dem Kronprinzen den Fall besprechen. Trump sprach sich jedoch dagegen aus, als Konsequenz Waffengeschäfte zu streichen.

Saudi-Arabiens Regionalverbündete boten dagegen uneingeschränkte Rückendeckung. Mehrere Staaten, darunter Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate veröffentlichten Mitteilungen, in denen sie den König lobten. 

(Reuters)

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