Warum sich Tausende Flüchtlinge aus Honduras auf den Weg in die USA machen

Eine der großen Karawanen von Flüchtlingen aus Mittelamerika, die die Grenze zu Mexiko bereits überwunden haben.
Eine der großen Karawanen von Flüchtlingen aus Mittelamerika, die die Grenze zu Mexiko bereits überwunden haben.APA/AFP/PEDRO PARDO
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Es sind Bilder, die an Europa im Herbst 2015 erinnern. Flüchtlinge, die an der mexikanischen Grenze auf Einlass warten; Polizisten, die Gruppen in Richtung US-Grenze begleiten. Was treibt die Menschen aus Honduras in die Flucht?

Tausende Wartende an der Grenze zu Mexiko. Menschen, die sich durch Flüsse im Grünland kämpfen. Gruppen, die den Grenzschutz überrumpeln und bewacht von Polizei durchs Land ziehen. Die Migranten-Route aus Honduras über Guatemala nach Mexiko mit Wunschziel USA nehmen derzeit Tausende Menschen in Angriff - ungeachtet der drohenden Gewalt durch Banden, der hohen Preise der Schleuser und auch der Drohungen von US-Präsident Donald Trump, der nun angekündigt hat, die Entwicklungshilfe für Guatemala, Honduras und El Salvador zu kürzen.

Die mexikanischen Behörden stoppten die riesige Karawane zwar an der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala, viele Migranten durchquerten jedoch auf notdürftigen Flößen den Grenzfluss Suchiate und marschierten am Sonntag stundenlang nach Norden.

Warum flüchten die Menschen aus Honduras? Warum kommt es gerade jetzt zu dieser großen Fluchtbewegung?

Honduras gilt wegen der starken Präsenz der Jugendbanden - genannt Maras - als einer der gefährlichsten Staaten der Welt. Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Armut das Leben vieler Honduraner. 60,9 Prozent der Menschen gelten als arm, 38,4 Prozent der Bevölkerung leben sogar in extremer Armut. Die Politik ist seit einem Putsch im Jahr 2009 kaum in der Lage, die Kontrolle über das Land aufrecht zu erhalten.

In dem mittelamerikanischen Land terrorisieren vor allem die Banden Barrio 18 (auch Mara 18 genannt) und Mara Salvatrucha (MS-13) die Bevölkerung. Die Mafia-ähnlich organisierten Banden sind mittlerweile der Hauptgrund für die gewaltsame Vertreibung von Menschen.

Der jüngste Bericht der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR von Februar 2017 beziffert die Zahl der Binnenflüchtlinge in 20 Gemeinden des Landes im Zeitraum von 2004 bis 2014 mit 174.000 Menschen. Nach Zahlen des Ombudsmannes von Honduras flohen knapp 46.000 Honduraner 2016 außer Landes, gut 10.500 von ihnen wurden in Ländern wie USA, Spanien, Kanada, Mexiko und Costa Rica als Flüchtlinge anerkannt.

Ende 2017 waren weltweit 294.000 Menschen aus Mittelamerika als Flüchtlinge registriert, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) im Mai mitteilte. In den ersten drei Monaten des Jahres 2018 stammten nach Angaben der US-Immigrationsbehörde die meisten der Menschen, die in den USA als Flüchtling anerkannt werden möchten, aus El Salvador, Honduras und Guatemala - nur von venezolanischen Staatsbürgern wurden in dem Zeitraum noch mehr Anträge eingereicht.

Honduras in der Dauerkrise

Das Problem ist aber nicht neu. Seit Jahren schon terrorisieren die Maras die Einwohner in Gebieten, über die sie die Kontrolle haben. Ihre Einnahmequellen: Drogenhandel, Schutzgelder oder auch Migrantenschmuggel in die USA. Für den Verkauf von Drogen oder die Eintreibung von Schutzgeldern setzen die Banden auch Kinder und Jugendliche ein.

"Wir haben gesehen, wie diese gewaltsame Rekrutierung das Leben der Kinder beeinträchtigt", schilderte die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Kelly Clements, ihre Eindrücke nach einer Reise durch Mittelamerika Anfang März. "Dies macht es ihnen unmöglich, zur Schule zu gehen. Auch viele Lehrer werden bedroht."

Die Häuser, aus denen die Maras Familien wie die von Luna vertreiben, nutzen die Banden als Folterzentren oder für Morde. Die Gebäude nennen sie "Casas locas" - verrückte Häuser - offenbar in Anlehnung an den von ihnen geprägten Lebensstil, den sie als "Vida loca" (Verrücktes Leben) bezeichnen.

Die Macht der Banden

"Mara Salvatrucha" und "Mara 18" gehören zu den bekanntesten Banden, deren Ursprung in den USA der 80er-Jahre liegt. Damals schlossen sich mittelamerikanische Einwanderer in Los Angeles in Gangs zusammen, um sich gegen die dortigen afroamerikanischen und asiatischen Banden zu behaupten.

Nach dem Ende der diversen Bürgerkriege in Mittelamerika schoben die US-Behörden ab Mitte der 90er-Jahre zahlreiche straffällige Mittelamerikaner in ihre Heimat ab. In den von jahrelangen Konflikten erschütterten Gesellschaften konnten sie sich schnell ausbreiten und neue Mitglieder gewinnen. In Honduras, aber auch Guatemala und El Salvador, haben die Banden Zehntausende Mitglieder.

Die Existenz der Maras mache es den Menschen schwer, sich frei zu bewegen und Hilfe zu suchen, sagt Clements. Das UNHCR und der Norwegische Flüchtlingsrat versuchen dennoch, die Vertriebenen zu beraten, die im Ausland um Asyl bitten wollen. Doch immer mehr Betroffene nehmen ihr Schicksal in die Hand und wollen das Land auf eigene Faust in Richtung USA verlassen. Fast jede Familie hat einen Verwandten auf den beschwerlichen Weg nach Norden geschickt.

Einreise in die USA mit Risken

Doch selbst mögliche Familientrennung und große Entbehrungen nimmt man in Kauf, angesichts der Gewalt Honduras, Guatemala und El Salvador. "Die Migranten haben Traumata wie aus einem Krieg", erklärt Israel Concha, der in Mexiko-Stadt die Organisation "New Comienzios" für Deportierte ins Leben gerufen hat. Im Moment sei es aber nicht die beste Idee, die Grenze zu den USA zu übertreten. Er rät allen Durchreisenden, sich über die Konsequenzen genau zu informieren, bevor sie den Schritt wagen.

Auf ihrer Flucht seien die Menschen Bedrohungen vonseiten krimineller Gruppen ausgesetzt. Vor allem Frauen drohe sexuelle Gewalt oder Ausbeutung, so die das Flüchtlingshilfswerk. Die Vereinten Nationen benötigten nach eigenen Angaben heuer rund 36,2 Millionen US-Dollar (30,78 Mio. Euro) für die Arbeit in der Region. Bisher seien jedoch nur zwölf Prozent des Geldes finanziert, so das Hilfswerk.

Trump will kein Asyl gewähren

US-Präsident Trump kündigte an, den "Ansturm illegaler Ausländer" auf die Südgrenze der USA zu "stoppen". Der US-Präsident will Migranten aus Honduras nach einer möglichen Einreise in die USA zurückschicken. Es würden "alle Anstrengungen gemacht", um den "Ansturm illegaler Ausländer" auf die Südgrenze der USA zu "stoppen", schrieb Trump am Sonntag beim Kurzmitteilungsdienst Twitter. Die Menschen müssten zuerst in Mexiko Asyl beantragen, und wenn sie dies nicht täten, würden die USA sie zurückschicken.

Zugleich schob Trump im Hinblick auf die im November stattfindenden Kongresswahlen den oppositionellen Demokraten die Schuld zu. "Die Karawanen sind eine Schande für die Demokratische Partei. Ändert die Einwanderungsgesetze jetzt", schrieb er.

Mexiko mahnt zu Fairness

Der neu gewählte mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador rief dagegen zu einem fairen Umgang mit den Migranten auf. "Wir wollen nicht, dass sie dasselbe erleben (wie Mexikaner), wenn sie in den USA einen Job suchen müssen."

Rund tausend Migranten, vor allem Frauen und Kinder, saßen unterdessen weiter an einer überfüllten Grenzbrücke zwischen Mexiko und Guatemala fest. Sie hoffen darauf, legal nach Mexiko einreisen zu können. Die Behörden bestehen darauf, dass die Migranten nacheinander Asylanträge ausfüllen, um die Grenze passieren zu dürfen. Am Samstag hatten die mexikanischen Behörden die Grenze für Frauen und Kinder geöffnet und diese in eine Notunterkunft in Tapachula gebracht, rund 40 Kilometer von der Grenzstadt Ciudad Hidalgo entfernt.

Eine separate Gruppe von rund tausend Honduranern brach unterdessen zu einem weiteren Marsch durch Guatemala auf, um durch Mexiko ebenfalls in die USA zu gelangen. Die Gruppe von Männern, Frauen und Kindern sammelte sich in Esquipulas in Guatemala und machte sich zu Fuß auf den Weg.

Migranten-Marsch formierte sich auf Social Media

Die noch größere Karawane, die inzwischen teilweise Mexiko erreicht hat, hatte sich vor mehr als einer Woche von San Pedro Sula im Norden von Honduras in Gang gesetzt. Sie folgte einem Aufruf in sozialen Netzwerken zu einem "Migranten-Marsch". "Wir gehen nicht, weil wir wollen, sondern weil wir von Gewalt und Armut vertrieben werden", hieß es in dem Aufruf.

Ins benachbarte Guatemala schafften es mehr als 5000 Migranten, wie der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales sagte. 2000 von ihnen hätten sich aber wieder auf den Rückweg nach Hause gemacht. Mehr als tausend seien zwischen Freitag und Sonntag in Bussen nach Honduras zurückgebracht worden, erklärte die Katastrophenschutzbehörde Conred.

(APA/dpa/AFP)

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