Wiener Forscher haben erstmals Mikroplastik in menschlichem Stuhl gefunden. Was das genau bedeutet, ist allerdings völlig unbekannt.
Wien. Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) und die weitere Schar, die mit der Vorsilbe „Poly“ anzeigt, dass es sich um Plastik handelt – sind das die jüngsten Gifte, mit denen die Menschheit die Umwelt und sich selbst gefährdet? Klar ist nur, dass sie in gigantischen Mengen produziert werden, 2016 waren es 335 Millionen Tonnen, darunter kann man sich nichts vorstellen. Darunter eher: Pro Minute werden rund um die Erde eine Million Plastikflaschen gekauft, so bilanzierte der „Guardian“ im Vorjahr. Das andere Ende zeigte sich zuerst in den Meeren, in denen sich Plastikinseln ansammelten, bzw. an den Küsten, an denen das Meer zurückwarf, was man hatte loswerden wollen.
Aber es kehrt nicht nur so grob sichtbar zurück: Das größere Problem an Plastik sind winzige Teile, die, die kleiner sind als fünf Millimeter, man fasst sie unter „Mikroplastik“ zusammen. Diese kommen weniger mit Plastikflaschen oder -sackerln in die Meere, sondern aus ganz anderen Quellen, unseren Kosmetika etwa, in manchen ist Mikroplastik. Oder aus unseren Waschmaschinen: In Kleidung wird zunehmend Plastik eingewoben, bei jedem Waschen reibt sich etwas ab. Das kommt dann natürlich nicht nur ins Wasser, sondern auch in die Mägen seiner Bewohner, man hat es schon in denen vieler Tiere gefunden.
Wer diese verzehrt, nimmt es auch auf. Aber Verzicht auf Fisch und andere Meeresfrüchte schützt nicht: Mikroplastik hat sich in Meersalz gezeigt, in Bier und Mineralwässern (in Plastikflaschen). So kommt es in uns hinein, und dann auch wieder aus uns heraus: Menschen haben Mikroplastik im Kot, das wurde nun erstmals an einem kleinen Sample – acht Personen aus der ganzen Welt – erhoben, von Forschern des Österreichischen Umweltbundesamts und der MedUni Wien um Philipp Schwabl. Sie haben ihre Befunde beim weltgrößten Gastroenterologenkongress vorgetragen, der derzeit in Wien tagt: Alle Testpersonen hatten Mikroplastik im Stuhl, vor allem PP und PE, im Durchschnitt waren es rund 20 Plastikpartikel pro zehn Gramm Kot.
„Dringend mehr Forschung nötig“
Ist das bedrohlich? Man weiß wenig: Bei manchen Tieren, Wasserflöhen und Austern, schwächt Mikroplastik die Reproduktion. Aber der bisher schrillste Alarm – Fische sterben an Mikroplastik! – war ein Fehlalarm bzw. eine gefälschte Forschungsarbeit. Man kann nur spekulieren: Plastik ist meist aus Erdöl, das ist kein Gift. Allerdings werden oft Chemikalien zugesetzt, die Plastik hart machen oder weich, Erstere sind giftige Schwermetalle, Letztere können in das Hormonsystem eingreifen.
Zudem könnten sich irgendwelche Gifte an die Partikel anlagern. Wie tief kommen diese überhaupt in den Körper hinein? „Die kleinsten Plastikpartikel können die Darmwand passieren und den Blutkreislauf, das Lymphsystem und möglicherweise sogar die Leber erreichen“, erklärt Schwabl, es gibt aus Tierversuchen auch Sorgen um Einflüsse auf das Immunsystem.
Allerdings gibt es auch Entwarnungen: Alistair Boxall (York) hat gerade die Fachliteratur gesichtet und nichts Bedenkliches gefunden: „Es gibt andere Chemikalien in der Umwelt, über die wir uns mehr Sorgen machen sollten.“ Das wieder kann natürlich auch daran liegen, dass dem Thema bisher wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet wurde. „Jetzt, wo wir den ersten Beleg für Mikroplastik in uns Menschen haben“, schließt Schwabl, „ist dringend mehr Forschung nötig, um zu verstehen, was dies für unsere Gesundheit bedeutet.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2018)