Cannabis-Anleger im Rausch - aber Deutsche bleiben nüchtern

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Kanadas größte Cannabis-Unternehmen hielten zwei Tage Hof in Frankfurt und wollten dort um neue Investoren werben. Sie fanden wenig Gehör. Manch einer warnte sogar vor einer "Potcom"-Blase.

Es sollte das "prestigeträchtigste Cannabis-Event des Jahres" werden: "Finden Sie heraus, welches vierjährige Cannabis-Start-up schon jetzt größer ist als die Lufthansa" und "Erfahren Sie die Geheimnisse dieses Unternehmens direkt von seinem CEO", hieß es im Programm. Kanadas größte Cannabis-Unternehmen hielten zwei Tage Hof in Frankfurt und wollten dort um neue Investoren werben. Doch statt wie angekündigt auf 300 private und institutionelle Anleger zu treffen, blieb die Branche auf der Konferenz weitgehend unter sich. Dabei boomen die Geschäfte gerade - vor allem dank der Legalisierung von Cannabis in Kanada. "Cannabis ist das nächste große Ding", ist sich etwa Analyst Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets sicher. Bei der breiten Anlegerschaft in Deutschland zieht das aber offenbar nicht, und auch die hiesigen großen Fondsgesellschaften zögern noch.

Einer der wenigen Interessenten auf der "Canadian Cannabis Capital Markets Konferenz" ist Christian Pachollek. Er ist als Scout für die Werkhausen & Stehr Hanf Consulting (WS-HC) auf der Konferenz unterwegs. "Hanf - Investitionen - Nachhaltigkeit - Wachstum" steht auf seiner Visitenkarte. WS-HC will nach eigenem Bekunden bis Ende des Jahres den ersten europäischen Hanf-Aktienfonds in Deutschland starten. Dabei soll die gesamte Wertschöpfungskette, überwiegend aus der nordamerikanischen Industrie, abgebildet werden - vom Anbau bis hin zum Anbieter von pharmazeutischem Cannabis.

In Nordamerika ist man schon weiter. Dort gibt es bereits einen eigenen "Marijuana Index". Er hat allein in den vergangenen zwei Monaten mehr als 40 Prozent zugelegt. In ihm sind die führenden Unternehmen der Cannabis-Industrie aus den USA und Kanada gelistet, darunter Branchengrößen wie Tilray mit einem Börsenwert von umgerechnet rund 9,9 Milliarden Euro, Aurora Cannabis, die es auf knapp 7,3 Milliarden Euro bringen sowie Canopy Growth, die mit 8,3 Milliarden Dollar bewertet werden. Zum Vergleich: Die Lufthansa kommt auf einen Börsenwert von 8,6 Milliarden Euro, die Commerzbank auf 10,8 Milliarden.

Für die großen deutschen Fondsgesellschaften wie Union Investment und Deka sind Cannabis-Unternehmen gegenwärtig aber noch kein Thema. So hat Union Investment nach eigenen Angaben noch keine Investments getätigt und beabsichtigt das auch nicht. Bei der Deka heißt es, dass zwar schon in Cannabis-Aktien investiert wurde. "Aktuell ist dies aber kein Fokusthema." Offenbar sind vielen Anlegern derzeit auch die Bewertungen der Unternehmen zu hoch und die Branche zu stark gehypt.

Droht die "Potcom"-Blase?

Kanada hatte am vergangenen Mittwoch den Cannabis-Konsum vollständig legalisiert - als weltweit zweites Land nach Uruguay. Die medizinische Nutzung ist bereits seit 2001 möglich. In Europa erlauben mehr als 20 Länder medizinisches Cannabis, darunter auch Deutschland. Nach Einschätzung von CMC-Analyst Hewson könnte der Markt riesig werden, wenn weitere Länder Cannabis legalisieren, selbst wenn das nur in begrenztem Umfang passieren sollte. Das Marktforschungsinstitut Prohibition Partners erwartet, dass der europäische Cannabis-Markt bis 2028 knapp 116 Milliarden Euro schwer sein wird. Bis dahin dürfte nach Einschätzung des Instituts die große Mehrheit der europäischen Staaten Gesetze verabschieden, die medizinische Cannabis-Programme und Cannabis auch zum Freizeit-Gebrauch legalisieren.

Für viele der Unternehmen ist Deutschland das Eintrittstor in den europäischen Markt, darunter auch für den Cannabisproduzenten Aurora Cannabis. "Deutschland ist ein unglaublich wichtiger Markt und in Europa führend bei medizinischem Cannabis", sagt Vorstandsmitglied Cam Battley. Das Unternehmen hat Berlin als Standort seiner Europazentrale gewählt und bewirbt sich gegenwärtig um Lizenzen für den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland. Bislang wird der hiesige Bedarf noch über Importe gedeckt. Die Nachfrage ist enorm und kurbelte die Geschäfte von Firmen wie Aurora an. Damit steigt auch das Interesse der Investoren: Der Kurs von Aurora hat sich in den vergangenen zwölf Monaten mehr als vervierfacht.

Manch einer warnt schon vor einer "Potcom"-Blase und spielt damit auf die "Dotcom"-Blase an: Jene Spekulationsblase, die Anfang der 2000er-Jahre platzte und die Kurse von Technologieaktien in den Keller schickte. Dafür gebe es aber keine Grundlage, sagt Battley. "Wir erfinden keinen Markt, sondern bringen Menschen von einem illegalen zu einem legalen Markt. Es gibt einen hohen medizinischen Bedarf für viele Symptome." 

(Reuters)

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