USA: Das Comeback der Flüchtlingsfrage

7000 Migranten aus Honduras haben sich auf den Weg in die USA gemacht. Am Dienstag hielten sie sich im mexikanischen Bundesstaat Chiapas auf.
7000 Migranten aus Honduras haben sich auf den Weg in die USA gemacht. Am Dienstag hielten sie sich im mexikanischen Bundesstaat Chiapas auf. (c) APA/AFP/PEDRO PARDO
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Die Flüchtlingskarawane aus Mittelamerika wächst an und marschiert unaufhaltsam in Richtung USA. Das Thema wird auch die Kongresswahlen in zwei Wochen entscheidend beeinflussen, zumal sich Präsident Trump mit Eifer darauf stürzt.

New York. Eine Flüchtlingsgruppe, die ihren Ursprung in Honduras nahm und mittlerweile durch Mexiko in Richtung USA marschiert, ist auf mehr als 7000 Menschen angewachsen. Von einer humanitären Katastrophe sprechen die einen, von einer Gefahr für die nationale Sicherheit der USA die anderen. Just rund um den Wahltermin in zwei Wochen könnte die Karawane die texanische Grenze erreichen. Das Thema bestimmt inzwischen maßgeblich den Kampf zwischen Demokraten und Republikanern.

Die Richtung gibt dabei wieder einmal Donald Trump vor. Der Präsident steht voll im Wahlkampf und stürzt sich auf jene Thematik, die ihm auch bei der Präsidentschaftswahl 2016 entscheidende Stimmen gebracht hat: Immigration. Es handle sich um eine „Attacke auf die Vereinigten Staaten“, der Flüchtlingstross dürfe keinesfalls die Grenze zu den USA erreichen, sagte Trump in der Nacht zum Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Houston. Er rief zudem per Twitter den Notstand aus und orderte Militär und Grenzschutz an, illegale Grenzübertritte keinesfalls zu dulden.

Strategiewechsel

Noch ist unklar, ob die Tausenden Flüchtlinge die USA erreichen werden. Mexikos Präsident, Enrique Peña Nieto, hat die Migranten bereits vor dem Grenzübertritt im Süden des Landes aufgefordert, in Mexiko um Asyl anzusuchen. Rund 1000 Menschen haben das gemacht. Viele andere haben die Grenze zwischen Guatemala und Mexiko illegal überschritten und marschieren nun weiter Richtung Norden. Das Gesetz werde es ihnen „kaum erlauben, ihr Ziel zu erreichen“, erklärte Peña Nieto. Wie er den Flüchtlingstross aufhalten will, sagte er freilich nicht.

In den USA zerbrechen sich indessen die Wahlkampfstrategen den Kopf darüber, wie sie das Thema anpacken sollen. Kurz vor dem Urnengang müssen sie ihre vorgefertigten Pläne überdenken. Die Demokraten wollten sich eigentlich auf das Gesundheitswesen stürzen und Trumps Republikaner in diesem Bereich frontal angreifen. Die Konservativen wollen die Pflichtversicherung unter Obamacare aufheben, die Opposition baute darauf, mit diesem Thema ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Noch am Wochenende veröffentlichte die Parteispitze um Chuck Schumer und Nancy Pelosi ein Statement, wonach Trump „verzweifelt versuche, das Thema vom Gesundheitswesen weg zur Immigration zu wechseln“.

Tatsächlich bestimmt die Flüchtlingskarawane die US-Schlagzeilen, und wenig deutet darauf hin, dass sich das schnell ändern wird. Bei der Wahl am 6. November wollen die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat verteidigen. Außerdem stehen rund zwei Drittel der Gouverneursposten zur Wahl. Das Ergebnis wird Trumps weitere Amtszeit entscheidend beeinflussen. Verlieren die Konservativen in einer Kammer die Mehrheit, muss der Präsident in vielen Bereichen mit den Demokraten zusammenarbeiten, um richtungsweisende Gesetze zu beschließen. Die Opposition könnte Untersuchungsausschüsse beantragen.

Dabei bringt der Flüchtlingsmarsch die Berater in einen Zwiespalt: So sind mehrere Gouverneursrennen in Staaten mit vornehmlich weißer Bevölkerung – etwa Ohio, Wisconsin, Michigan, Iowa, Illinois – heiß umkämpft. Beinharte Rhetorik gegen den Flüchtlingstreck aus Mittelamerika kommt im Mittleren Westen besser an als in jenen Staaten mit einem hohen Anteil an Latinos aus der Region. Dazu zählen Arizona, Nevada, Florida und Texas, wo wiederum wichtige Senatorenposten zur Wahl stehen.

Rigorose Rhetorik

Trump hat sich für eine rigorose Rhetorik entschieden. So vermutet er unter den mehr als 7000 Migranten auch „zahlreiche Verbrecher“ und „Unbekannte aus dem Nahen Osten“. Viele Republikaner tun es dem Präsidenten gleich. Marsha Blackburn, konservative Senatskandidatin aus Tennessee, nannte den Flüchtlingstross ein „illegales Gesindel“. Auf demokratischer Seite ringt man noch um eine einheitliche Strategie. Die Parteiführung gibt sich liberal und weist darauf hin, dass viele Honduraner vor gewalttätigen Gangs in ihrer Heimat flüchten. Einige Abgeordnete allerdings, vor allem aus dem Mittleren Westen, weichen vom Kurs ab. Sie unterstützen Trumps Forderung nach mehr Geld für den Grenzschutz.

Die Debatte um den Flüchtlingsstrom aus Mittelamerika ist Teil eines größeren Streits rund um das Thema Migration. Dabei geht es unter anderem um in den USA lebende Menschen, die als Kinder illegal in das Land gekommen sind, die sogenannten Dreamers, sowie die Finanzierung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Bisher haben es die Republikaner nicht geschafft, ein neues Gesetz zur Regelung der Migration durchzubringen. Nach den Kongresswahlen will Trump einen neuen Anlauf starten.

AUF EINEN BLICK

Migration. Die Flüchtlingsfrage war bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2016 ein dominantes Thema, das letztlich Donald Trump mit seiner Forderung nach einem Mauerbau in die Hände spielte. Der Marsch von rund 7000 Migranten aus Mittelamerika rückt das Thema vor der Kongresswahl in zwei Wochen wieder in den Vordergrund. Der Präsident richtet seine Rhetorik danach aus. In Bundesstaaten mit großem Latino-Anteil könnte das aber eher kontraproduktiv sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2018)

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